Essen. Zweieinhalb Jahre nach dem folgenschweren Erdbeben kämpft Haiti immer noch um seinen Wiederaufbau. Die Insel will wieder Touristen anlocken. Sie baut ihre Hotels wieder auf und will zudem mehr Direktflüge schaffen. Die Reisewarnungen für Haiti sollen bald ausgesetzt werden.
Wer hoch oben von der Terrasse des längst wieder aufgebauten „Hotel Montana“ hinunter blickt auf die Bucht von Port-au-Prince, der sieht bei allem Panorama die Probleme nicht. Nicht die Arbeitslosigkeit, nicht die Müllberge im Armenviertel Cité Soleil, nicht die Gewalt, die Cholera und das Elend auf manchen Straßen, nicht die Zeltstädte mit ihren immer noch 400.000 Bewohnern und kläglichen sanitären Anlagen, die fast zweieinhalb Jahre nach dem folgenschweren Erdbeben das Leben auf der Karibik-Insel Haiti kennzeichnen.
Wer auf der Terrasse des „Hotel Montana“ sitzt und darüber nachdenkt, was Daniel Fouchard, der just zum Botschafter in Berlin aufgestiegene ehemalige Generaldirektor des Tourismus-Ministeriums, vor einiger Zeit erzählt hat, der sieht mit etwas Phantasie aber neben allen Problembergen auch zarte Chancen. „Wir haben die gleiche Sonne und den gleichen Sand wie die Nachbarn in der Dominikanischen Republik“, sagte Fouchard vor der diesjährigen Tourismusmesse ITB in Berlin. „Warum sollte es uns nicht gelingen, uns auch ein ordentliches Stück vom Kuchen abzuschneiden?“
Der Umstand, dass die bitterarme und doch so schöne Insel noch immer von Tausenden internationalen Helfern und Hilfsorganisationen bevölkert ist (was die Medienberichterstattung prägt, vor allem wenn Vorzeige-Helfer wie Sean Penn oder Bill Clinton in der Stadt sind...), verstellt den Blick auf das, was im Hintergrund läuft.
Hotelbetten sind knapp
Hotelketten wie Best Western (gerade fertig geworden) oder Marriott (beginnt im Winter) und Hilton (stark interessiert) bauen neben lokalen Gastgewerblern Stück für Stück am Fundament für einen neuen Tourismus. Derzeit, sagt die zuständige Ministerin Stephanie Villedrouin, hat die Insel nicht mehr als 3000 Betten anzubieten.
Im Vergleich zum spanischsprachigen Insel-Teil „Dom Rep“ (66.000) oder Kuba (50.000) nicht konkurrenzfähig. 2015 soll die Kapazität verdoppelt sein. „Wir schalten vom Katastrophenmodus in den Investitionsmodus.“ Und das nicht nur in der Hauptstadt, auch in sehenswerten Orten in anderen Landesteilen wie Jacmel oder der Gegend um den quasi extraterritorialen Tourismusmagneten Labadie im Norden. Dorthin steuert die Linie Royal Carribean Cruises ihre Kreuzfahrtschiffe.
Um die auch schon vor dem Erdbeben überschaubaren Besucherzahlen zu steigern – 2008: 80.000, 2009: 287.000 – setzt das Tourismus-Ministerium mit der agilen Hausherrin Villedrouin darauf, das Länder wie Deutschland ihre Reisewarnungen für Haiti bald aussetzen.
Erst danach würden die Fluggesellschaften (außer Air France, die fliegen bereits ab Paris ohne Zwischenhalt nach Port-au-Prince) wieder Direktflüge anbieten.
Image-Erfolg auf einem Freeway in Florida
Ein kleiner Image-Erfolg ist der Ministerin, die unermüdlich die haitianischen Vorzüge („unsere Menschen“) anpreist, in Florida gelungen. An einem zentralen Freeway, den täglich 600.000 Menschen befahren, hängt das erste große Werbe-Billboard über Haiti. Türkisblaues Meer, weiße Strände, Karibik-Idylle pur.
Ein Teil der rund drei Millionen Auslands-Haitianer, die einst wegen Despoten wie Francois Duvalier oder Jean „Baby Doc“ Duvalier das Weite suchten, könnte sich davon angesprochen fühlen, sagt Fouchard – er hofft auch auf deutsches Engagement.
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Tui Deutschland etwa hat zwar (noch) keine touristische Nabelschnur auf die Insel gelegt. Aktiv sind die Hannoveraner trotzdem. Gemeinsam mit „Don-Bosco-Mondo“ (früher Jugend Dritte Welt) in Bonn, einem seit Jahrzehnten dem katholischen Orden der Salesianer verbundenen Hilfswerk, die seit 75 Jahren auf der Insel Gutes tun, wirkt Tui im Stillen für den Wiederaufbau.
„Über fünf Jahre“, berichtete Professor Harald Zeiss, zuständig für Nachhaltigkeit bei Tui vor Ort, „investieren wir 500.000 Euro in Haiti“. Das heißt: Von jedem Karibik-Trip, den man bei Tui bucht, geht etwa ein Euro an „Don Bosco Mondo“. Mit dem Geld wird unter anderem das Projekt „Lebensnester“ in Gressier unterstützt, das 300 Kindern und Jugendlichen in einem integrierten Komplex Schulausbildung plus Berufsorientierung und Ausbildung mit Internatsanschluss bietet, unterstützt.
Bei der Einweihung vor wenigen Monaten sagte die 13-jährige Claudine den Besuchern aus Deutschland, dass sie „einmal ein Hotel am Strand haben möchte, wenn ich groß bin“. Daniel Fouchard hat geschmunzelt.