Essen. Gegen die irische Billigfluggesellschaft laufen wegen Notlandungen in Valencia Ermittlungen. Es gibt Vorwürfe, ihre Piloten würden unter Druck gesetzt. Sie sollten weniger Kerosin auftanken, um Kosten zu sparen.

Schwere Gewitter fegen am 26. Juli über die Landepisten des Flughafens Barajas in Madrid. Die Lotsen im Kontrollturm sperren den Luftraum für einfliegende Jets. Die Piloten werden angewiesen, Kurs auf Valencia zu nehmen - eine Flugstunde weg an der Ostküste.

Vielleicht ist die internationale Luftfahrt an dem Donnerstag nur knapp einer Katastrophe entgangen. 17 Maschinen drängen jetzt nach Osten. Drei Boeing 737 der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair, die die Umleitungsweisung vom Kontrollturm in Madrid erhalten haben, müssen über Valencia in die Warteschleifen. 60 Minuten kreisen ihre Flugzeuge, behauptet Ryanair. Ohrenzeugen an den Funkgeräten wollen es anders in Erinnerung haben. Auf jeden Fall melden sich die Piloten: „Mayday, mayday, we are low on fuel“ - der Notruf, keinen Sprit mehr zu haben. Valencia gibt Landeerlaubnis.

Irlands Zeitung „Sunday Independent“ hat das alles aufgedeckt. Das spanische Verkehrsministerium hat Ermittlungen gegen Ryanair eingeleitet, spanische Verbraucherverbände kritisieren das Unternehmen massiv. Ein Verfahren könnte, im äußersten Fall, ein befristetes Landeverbot auf spanischen Flughäfen zur Folge haben.

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„Wenn eine Fluglinie an einem Tag dreimal wegen Kerosinmangels notlanden muss, dann stimmt etwas im System nicht“, sagt Jörg Handwerg von der Pilotenvereinigung Cockpit. Er glaubt: „Ryanair setzt die Piloten unter Druck, nicht zu viel Treibstoff zu tanken“.

Sparen Ryanair und andere Billigflieger beim Kerosinverbrauch - auf Kosten der Sicherheit? Der Vorfall über Valencia setzt plötzlich Fragezeichen hinter das Kostenregiment einer Branche, die ohne das Vertrauen der Passagiere in die Sicherheit rasch am Ende ist.

Ein "interner Pranger" bei Ryanair

Tatsache ist: Die Treibstoffpreise steigen schnell. Alleine mit 20 Prozent Zuwachs rechnet die Lufthansa in diesem Jahr. „Treibstoff ist der größte Kostenblock geworden“, sagt Flugkapitän Handwerg – dies gelte natürlich besonders für Fluggesellschaften, die wegen ihrer Niedrigpreisangebote sonst an allem Kostenträchtigen sparen.

Speziell bei Ryanair scheint das Management unter diesem Kostendruck die Schrauben anzuziehen. Denn: Wer wenig tankt, fliegt leichter - was wiederum Kerosin spart. Am 19. Dezember 2011 haben die Besatzungen den Brief ihres Chefs Shean McKeon mit der Aufforderung erhalten, „exzessiven Kerosinverbrauch“ zu unterlassen. Widerstand ist sinnlos: Man habe das Recht auf eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten, mahnte die Führung. „Wir hoffen, der Brief hilft, die Fakten klarzustellen“.

Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg weiß zudem von einem „internen Pranger“ der Gesellschaft. In wichtigen Bodenstationen wie auch Hahn hängen, erzählt er, Namenslisten der Flugkapitäne. Hinter den Namen ein Eintrag: Der „persönliche“ Kerosinverbrauch. Die 20 sparsamsten Piloten erhalten ein Lob-Schreiben, die 20 weniger sparsamen den Hinweis, sie stünden unter Beobachtung. „Wer gegen die Regeln verstößt, wird angesprochen“, sagt Handwerg.

Reserve ist ein Muss - auch für Ryanair

Darf Ryanair Tankfüllung limitieren? Cornelia Cramer vom Luftfahrtbundesamt weist auf „OPS 1.255“ hin – die Vorschrift mit klarer Ansage, wie zu tanken ist. Die Piloten müssen „Kraftstoff für das Rollen“, „Kraftstoff für die Flugphase und für „unvorhergesehenen Mehrverbrauch“ an Bord haben. Auch der ist definiert und enthält die Reserve zum Anflug eines Ausweichflughafens. Außerdem ist jeder Extra-Kraftstoff zu tanken, wenn dies „vom Kommandanten gefordert wird“. Er hat also das letzte Wort. International gilt, dass nach der Landung noch für 30 Minuten Flugzeit Sprit da sein muss.

Die Regeln wirken. Zwischenfälle wegen fehlenden Treibstoffs sind sehr selten. Die Datenbank des Luftfahrtbundesamtes registriert gerade eine außerplanmäßige Landung wegen Spritmangels unter den 10 000 Datensätzen mit Störungsmeldungen. Es komme „kaum vor“, sagt auch Cockpit-Mann Handwerg. Am 26. Juli über Valencia war es anders.