Washington. . Amerikas Landwirte sind im Würgegriff der Hitze. Eine Hitzewelle sorgt für die schlimmste Trockenzeit seit einem halben Jahrhundert. 1300 Landkreise gelten als Notstandsgebiete. Riesige Ernteausfälle werden befürchtet. Meteorologen fürchten, dass Regen noch bis zum Herbst auf sich warten lässt.
Steve Gartners Miene wird mit jeder Schüppe finsterer. Der Landwirt aus Litchfield im Bundesstaat Illinois gräbt am Mittwoch vor laufenden Fernsehkameras ein Loch in sein Maisfeld, um die Misere zu veranschaulichen. Die zu rosigeren Zeiten schwere und fruchtbare Erde rieselt ihm wie feiner Sand durch die Finger. Bei einer Tiefe von 1,80 Meter hört Gartner deprimiert auf. „Es hat keinen Sinn. Die Pflanzen suchen nach Feuchtigkeit, aber es ist knochentrocken.“
Szenen wie diese wiederholen sich in diesen von Rekord-Temperaturen über 40 Grad und Regenmangel geprägten Tagen fast überall in den USA. Nicht, dass die Menschen nicht an die launische Natur gewöhnt wären. Aber in diesem Jahr ist es besonders schlimm. 1300 Landkreise in 30 Bundesstaaten sind mittlerweile als Katastrophengebiete ausgewiesen. Tendenz: täglich steigend.
Mais, Sojabohnen und Getreide verdorren auf den Feldern
60 Prozent der Vereinigten Staaten haben amtlich mit der schwersten Dürre seit fast 60 Jahren zu kämpfen. Fast die gesamte „Kornkammer“ der Republik von Nebraska bis Mississippi sitzt seit Monaten unter sengender Sonne. Einzelne Schauer sind nicht mal der Tropfen auf den heißen Stein. Bei Mais, Sojabohnen und Getreide drohen Ernteausfälle bis zu 50 %. Preissteigerungen von bis zu 25 % auf den Weltmärkten sind schon jetzt die Folge. Viehzüchter müssen vorzeitig Rinder, Schweine und Hühner schlachten, weil Futter gar nicht mehr oder nur noch zu astronomischen Preisen zu haben ist.
Auf großen Wasserstraßen wie dem Mississippi kommt der Schiffs- und Fährverkehr zum Erliegen, weil die Flüsse nicht mehr genügend Wasser führen. In manchen Landesteilen wird Wasser für die öffentlichen Haushalte bereits rationiert, weil Stauseen und andere Reservoire zusehends leerlaufen.
Regen? Kommt vielleicht im Oktober...
Die Liste der Hiobsbotschaften, mit denen Landwirtschaftsminister Tom Vilsack im Weißen Haus aufschlug, um gemeinsam mit Präsident Barack Obama für mehr Hilfszahlungen an notleidende Farmer durch den Kongress zu werben, ließe sich beliebig fortsetzen. Und ein Ende des Dramas, das seit einigen Tagen regelmäßig die abendlichen Fernseh-Nachrichten beschäftigt, ist nicht in Sicht. Der Pessismus der Metereologen vom Nationalen Wetterdienst reicht so weit, dass etliche Bundesstaaten im Mittleren Westen voraussichtlich bis Oktober (!) auf ergiebige Niederschläge warten müssen – zu spät.
Al Shipe, Wetterfrosch aus Illinois, sieht ein düsteres Szenario voraus: „Es wird sogar das Wasser fehlen, um Waldbrände zu löschen“. Die Statistiken sind wirklich ernüchternd. Nach Angaben des Nationalen Klimadaten-Centers ist der Sommer 2012 auf dem bestem Weg, als einer der drei heißesten seit Beginn akkurater Aufzeichnungen im Jahr 1895 in die Geschichte einzugehen. Was die Fachleute am meisten beunruhigt: Es sind nicht nur notorisch trockene Südstaaten wie Texas, denen die Natur den Wasserhahn so gnadenlos abgestellt hat wie in den „Dust Bowl“-Schreckenszeiten der 1930er Jahre, als die Naturgewalten riesige Landstriche in „Staub-Becken“ verwandelten und die große Depression entfachten.
"Pray for Rain" - betet für Regen
Laut Ernährungs-Ökonom Bratt Ripley erfassen die durch den globalen Klimawandel ausgelösten Wetterphänome „immer stärker das landwirtschaftliche Herzstück Amerikas“. Die finanziellen Auswirkungen sind gewaltig und gehen, weil die USA zu den größten Getreide-Exporteuren der Welt gehören, weit über die Landesgrenzen hinaus. Allein im vergangenen Jahr glichen die US-Versicherungen Ernteausfälle nur bei Mais und Soja in der Größenordnung von elf Milliarden Dollar aus. „Damit werden wir diesmal nicht auskommen“, sagt David Graves vom Verband der Mais-Versicherer.
An zentralen Börsen wie der in Chicago stieg der Preis für ein Bushel Mais (cirka 27 Kilogramm) in den letzten Tagen um 25 % an. Verbraucherschützer rechnen bei Milch, Gemüse und Käse mit „rasant steigenden Preisen bis Weihnachten“. Das geliebte Steak dagegen werde zunächst billiger, weil Viehzüchter vermehrt schlachten. Weil mittelfristig Jungtiere fehlen, wird der Fleischpreis „spätestens im Winter wohl deutlich steigen“, sagt Roger Hoskin vom Landwirtschaftsministerium. Unterm Strich droht eine „dreistellige Milliarden-Quittung“, fürchten Wirtschafswissenschaftler in Chicago.
Dagegen nehmen sich die bisher bereitgestellten 75 Millionen Dollar Nothilfe aus Washington für Farmer beinahe lächerlich gering aus. Im Süden, wo man an die auf leisen Sohlen daherkommende Naturkatastrophe Trockenheit schon lange gewöhnt ist, sind christlich grundierte Glaubensgemeinschaften bereits dazu übergegangen, sich regelmäßig vereint an höhere Mächte zu wenden. „Pray for Rain!“ - Bete für Regen – steht auf vielen Plakaten in Texas und New Mexico geschrieben. Landwirtschaftsminister Tom Vilsack schließt sich an: “Wenn ich einen Regentanz kennen würde - ich würde es machen.”
Große Dürre in den USA