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Es ist gut bestellt um die deutsche Tourismusbranche. So viele Kunden wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren haben im jetzt beendeten Touristikjahr 2010/2011 (31. Oktober) ihre Reise in einem stationären oder einem Online-Reisebüro gebucht. Das Reise Journal sprach am Rande der Jahrestagung des Deutschen ReiseVerbandes in Korea mit Präsident Jürgen Büchy.

Herr Büchy, wie macht sich die Euro-Krise auf die Reisekonjunktur bemerkbar?

Jürgen Büchy: Die Reiselust der Deutschen ist nach wie vor ungebrochen. Die Zahlen des gerade beendeten Touristikjahres machen es deutlich: Sowohl Reiseveranstalter als auch Reisebüros haben ein deutliches Umsatzwachstum erzielt. Die Reisebüros verzeichnen ein Plus von 9,5 und die Reiseveranstalter von neun Prozent gegenüber dem Touristikjahr 2009/2010. Fünf Prozent mehr Gäste als im Vorjahr reisten mit Reiseveranstaltern. Gemessen an den vergangenen zehn Jahren ist das ein neues Rekordergebnis. Dass das so gut ausgefallen ist, liegt auch an den Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2009. Durch den leichten Rückgang 2009 und die Erholung 2010 hat die Umsatzentwicklung 2011 wieder volle Fahrt aufgenommen. Das wird sich sicher 2012 wieder etwas abschwächen. Die ersten vorsichtigen Prognosen sprechen von einem zwei- bis dreiprozentigen Wachstum.

Wie entwickelt sich das Buchungsverhalten?

Büchy: Auch für das kommende Touristikjahr stehen die Chancen gut, dass die Deutschen weiterhin reisefreudig bleiben. Jüngsten Umfragen zufolge wollen die Bundesbürger auch 2012 nicht auf ihre Urlaubsreisen verzichten. Laut ADAC, der seine 4800 Mitglieder nach ihren Reiseabsichten im kommenden Jahr befragt hat, planen 72,8 Prozent eine längere Urlaubsreise. In diesem Jahr waren es lediglich 68 Prozent der Befragten.

Wer werden die Gewinner und wer die Verlierer sein?

Büchy: Die Reiseveranstalter haben erst vor Kurzem ihre Programme für die Sommersaison 2012 präsentiert. Mit der Präsentation startet zugleich die Frühbuchersaison, die bis etwa Ende März anhält. Wie sich das Buchungsverhalten entwickelt und welche Reiseziele im Sommer 2012 zu den beliebtesten zählen, dazu können wir erst Ende März eine erste Prognose abgeben. Hauptbuchungsmonate für die Sommersaison sind die Monate Dezember bis April, so dass derzeit noch keine aussagekräftigen Daten über das kommende Jahr vorliegen.

Warum ist die Tourismusbranche eigentlich die Melkkuh der Politik – beispielsweise bei der Luftverkehrsabgabe oder der Bettensteuer, die gerade in immer mehr Städten eingeführt wird?

Büchy: Die Tourismusbranche beweist sich seit Jahren als relativ stabiler Wachstumsmarkt. In den vergangenen zehn Jahren gab es bis auf das Wirtschaftskrisenjahr 2009 kontinuierliches Wachstum. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten, wenn es darum geht Haushaltslöcher zu stopfen. Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen diese Zusatzabgaben auch noch ad hoc einführen ohne zuvor mit der Wirtschaft gesprochen zu haben, ob das überhaupt in der Kürze der Zeit umsetzbar ist. Die Reiseveranstalter kalkulieren und schnüren ihre Angebote zum Teil über ein Jahr im Voraus. Die einmal veröffentlichten Katalogpreise gelten dann eine ganze Saison lang. Kurzfristige Zusatzkosten gehen dann selbstverständlich zu Lasten der Veranstalter.

Hat die Reisebranche denn keine vernünftige Lobbyvertretung?

Büchy: Die Tourismusbranche ist bestens vernetzt in Berlin und Brüssel. Aber wenn es ums Geld geht und darum die Finanzen aufzubessern, wird von der Politik nicht lange über die Konsequenzen nachgedacht.

Sie sind seit November 2010 Präsident des DRV. Wie ist die bisherige Bilanz ?

Büchy: In diesem Jahr ging es mir vor allem darum, auszuloten, wo der Schuh drückt, mit welchen Problemen und Herausforderungen unsere Mitglieder zu kämpfen haben. Darauf aufbauend konnten wir in den vergangenen Monaten einiges anstoßen, beispielsweise beim Thema Berufsbildung und Nachhaltigkeit, zwei für die Branche zukunftsweisenden Themenkomplexen.

Die Reisebüros sind ein Sorgenkind. Das Reisebürosterben geht weiter. Wie lange kann sich das stationäre Vertriebskonzept noch gegen Online-Buchungen durchsetzen?

Büchy: Der Reisevertrieb – ob online oder offline – ist nach wie vor das Herzstück unserer Branche. Ich muss Ihnen daher widersprechen. Denn von einem Reisebürosterben kann nicht die Rede sein. Ich mache das mal an einem Beispiel deutlich: Im Touristikjahr 2009/2010 haben noch 366 Reisebüros aus sehr unterschiedlichen Gründen schließen müssen. Im gerade beendeten Touristikjahr 2010/2011 waren es gerade mal 130 Schließungen. Mit insgesamt 10.240 Reisebüros verfügt Deutschland damit nach wie vor über eine sehr hohe Reisebürodichte (Anzahl der Reisebüros pro Einwohner). Warum das so ist? Bei der Angebotsvielfalt bedarf es eines Lotsen, der dem Kunden hilft das passende Angebot zu finden. Vor allem wenn es darum geht, die Bedürfnisse und Interessen von mehreren gemeinsam Reisenden oder von Reisenden mit speziellen Wünschen zufrieden zu stellen. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Reisebüros mit gutem Service, fachkundiger Beratung und individueller Betreuung auch künftig behaupten und gefragt sein werden.

Reise-Weisheiten

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