Mosel.

Klischees können bisweilen den Blick ein wenig vernebeln. Wir sehen durch ihre Brille etwa dies: Ältere Herrschaften auf Moseltour, samt Römerglas und lieblichem Wein („Piesporter Goldtröpfchen, Prösterchen“), dazu schmiedeeiserne Weinranken vor der Probierstube. Also an allen Ecken jene deutsche Gemütlichkeit („Hoch preis’ ich mit vollem Pokale...“), mit der man es schwer hat beim touristischen Generationenwechsel.

Nicht erst, wenn man auf dem Segway durch Trier schnurrt, womöglich vom Winzer geführt (gibt’s wirklich, es heißt „Seg & Wine“!), registriert man mit Vergnügen, dass die Mosel diesen Wechsel clever stemmt.

Aber was vielleicht das Beste ist: Sie verleugnet alte Tugenden nicht. Wie sollte sie auch bei dieser Geschichte, bei dieser Kulturlandschaft? Selbst weltgereiste Weinfreunde sprechen von „einer der faszinierendsten Weinbauregionen der Welt“. Man muss nur Halt machen an der atemberaubenden Moselschleife bei Trittenheim oder den Hals recken hoch zu den unglaublichen Lagen in Winningen, Brauneberg oder Bernkastel – Steilheit: 70 Prozent.

Markenzeichen „made in Germany“

Lesen heißt Klettern. Man hat dieses Rackern mal verglichen mit deutschen Reben-Äckern weiter südlich: Für einen Hektar gehen mosellängs 1500 Arbeitsstunden in den Wein, an der Pfalz ist es kaum die Hälfte.

Die Mühe der Mosellaner lohnt allerdings. Nach einer Schwächeperiode in den 1980er Jahren, als auch beste deutsche Lagen der Ruf des Klebrig-Zuckrigen umwehte, stehen nicht nur die prominenten Güter der Mosel wieder glanzvoll da. Um die edelsüßen Raritäten wird gar in Asien ein Kult betrieben, in den USA ist Riesling (der Mosel bedeutendste Sorte) ohnehin längst ein Markenzeichen „made in Germany“.

100 Jahrgänge gingen durch das Gemäuer

Man muss als radelnder/wandernder/paddelnder, kurz: als sich nach Belieben durch diese Märchenlandschaft bewegender Tourist nicht einmal die Nobelgüter von Fritz Haag bis Dr. Loosen entern, um die Magie des Moselweins zu erschmecken.

In einem kleinen Nebental entdecken wir in Fell nicht nur eine charmante Einkehr. Hier, „Zum Winzerkeller“, musste kein Inneneinrichter krampfen, um dem Haus Wein einzuhauchen. Restaurant-Gäste (fragen Sie unbedingt nach Wild aus der Region!) sitzen auf der Galerie direkt über den gewaltigen alten Maischetrichtern. An die 100 Jahrgänge gingen durch den Bauch des Gemäuers. Jetzt wird dort nur noch genossen. Auch sehr schön.

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Von DerWesten

Apropos: Wir verkosten Weine von Franz-Rudolf Meirer. Nie gehört? Kein Wunder. Herr Meirer hat nicht einmal eine Internet-Seite. Aber sein weißer Sekt aus der Spätburgundertraube („Blanc de Noir“) ist einfach famos. Was das Luxusgetränk bei so schöner Frucht und so feiner Säure kostet? „Sieben Euro achtzig!“ Versektet nach Champagnermethode, versteht sich. Ach, wüssten die deutschen Prosecco-Trinker doch, welch wohlfeile Schätze sie gleich vor der Tür haben.

"Per Pedes, Paddel und Pedal durchs Moselland“.

4000 Winzer auf über 800 Hektar prägen das Gesicht der Mosel. Man kann die rund 250 Kilometer Fluss auf zig sauber ausgeschilderten Routen erwandern, aktiv zu Wasser oder zu Fuß, vom gemütlichen Wanderweg bis zum Klettersteig für die Ehrgeizigen. Wer sich partout nicht entscheiden mag, testet seine Neigung am besten per Paket: „Per Pedes, Paddel und Pedal durchs Moselland“.

Nach riesigen Städten zu suchen, ist in Moselland aussichtslos. Aber es gibt die schmucken kleinen wie Bernkastel-Kues und natürlich das kultursatte Zentrum: Trier. Römer- und Kirchenpracht satt, ein gottgefälliges Großereignis steht ebenfalls ins Haus: 2012 ist Heilig-Rock-Wallfahrt zur „Tunika Christi“, es könnten eine Million Pilger ins kleine Trier kommen – Himmel hilf! Aktuell staunen Zugereiste dort aber eher über den einarmigen Roboter „bios ÄbibleÜ“, der im Glaskasten vor dem Dom Tag und Nacht damit beschäftigt ist, die komplette Bibel aufzuschreiben.

Man geht von gut einem Kilometer Papier aus. Die frohe Botschaft: Pünktlich zur Wallfahrt soll alles fertig sein. Wundern Sie sich übrigens nicht über den ulkigen Singsang Ihrer Nachbarn an Bänken und Brunnen – lauter bummelnde Luxemburger. Sie lieben Trier (wie Menschen aus dem Revier ihr Venlo) und kaufen hier sehr gerne ein.