Melle. . Der diesjährige Deutsche Wandertag findet in Mellen statt: Vom 8. bis 15. August stehen im nordwestlichen Mittelgebirge 90 Besichtigungen, Radtouren und Wanderungen auf dem Programm. Als Ehrengast wird Bundespräsident Christian Wulff erwartet.

Auf das klischeebeladene Alpenpanorama, das gemeinhin mit ihrem Hobby in Verbindung gebracht wird, müssen die Besucher des diesjährigen Deutschen Wandertages verzichten. Dennoch werden Zehntausende Wanderer vom 8. bis 15. August beim nach Angaben des Deutschen Wanderverbands (DWV) "größten Wanderfest Europas" im Osnabrücker Land erwartet. Denn auch die nordwestlichen Ausläufer des Mittelgebirges haben mit ihren rund 2.000 Kilometern Wanderwegen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade für Wanderer einiges zu bieten.

Studien belegen, dass knapp die Hälfte der Deutschen - mal mehr, mal weniger intensiv - wandert. Jedoch ist nur ein Bruchteil der Wanderfreunde in Deutschland in Vereinen aktiv ist. Diese sorgen allerdings dafür, dass deutschlandweit 200.000 Kilometer Wanderwege gepflegt und instand gehalten werden. "Ohne Wandervereine kein Wandertourismus", fasst die DWV-Geschäftsführerin Ute Dicks die Leistung der vielen ehrenamtlichen Helfer zusammen. Unter dem Dach des DWV versammeln sich in 57 Landesverbänden knapp 600.000 Mitglieder. Gemeinsam mit dem Deutschen Alpenverein und den Naturfreunden entspricht das aber nur rund vier Prozent der Wanderer in Deutschland.

Trend geht zum Individualwandern

Der Natursoziologe Rainer Brämer hat eine einfache Erklärung: "Der Trend geht zum Individualwandern." Das starke Geselligkeitsgefühl in Vereinen schrecke viele Wanderer ebenso ab wie Gruppenwandern, sagt der Ehrenvorsitzende des Deutschen Wanderinstituts in Marburg. Tatsächlich haben viele Vereine mit rückgängigen Mitgliederzahlen zu kämpfen, bestätigt Dicks. Sie macht dafür vor allem starres Traditionsbewusstsein verantwortlich. Es gehe darum, neue Zielgruppen anzusprechen und auch Angebote für Familien und Jugendliche zu gestalten, sagt sie. Dicks setzt auf moderne Formen des Wanderns mit GPS-Geräten.

In Melle stehen in der kommenden Woche 90 Besichtigungen, Radtouren und Wanderungen auf dem Programm. Dazu zählt eine 4 Kilometer lange Stadtführung durch die Altstadt von Osnabrück, eine 17 Kilometer lange Wanderung durch die Hunteauen und eine Tagesfahrt auf die Nordseeinsel Langeoog. Daneben sieht das Programm Führungen, Vorträge und Konzerte vor. Und weil der Wandertag ein jährliches Verbandstreffen ist, werden auch Fachtagungen, Vorstandssitzungen und die Jahreshauptversammlung abgehalten.

Ausrichter ist neben dem DWV und der Stadt Melle der Tourismusverband Osnabrücker Land und der Wiehengebirgsverband Weser-Ems mit einer mehr als hundertjährigen Geschichte. Mit dieser Region ist jedoch nicht gerade eine Wanderhochburg Austragungsort des diesjährigen Wandertags geworden: Studien zufolge gehört Niedersachsen zu den Bundesländern mit dem geringsten Anteil an Wanderern in der Bevölkerung. "Da ist also Luft nach oben, die wollen wir nutzen", lautet die scherzhafte Antwort von Melles Bürgermeister André Berghegger (CDU). Tatsächlich glaubt er an das Potenzial der Region, die bisher vor allem bei Radfahrern beliebt ist. "Die Mittelgebirge sind nicht mittelmäßig", sagt er. Sie verlangten den Wanderern keine Höchstleistungen ab und seien daher für alle Wanderer geeignet.

Auch der Bundespräsident kommt nach Melle

Natürlich erhofft er sich als Ausrichter auch einen Schub für das Image der Stadt und den Tourismus in der Region. Im Laufe der kommenden Woche werden 30.000 Gäste im 50.000-Einwohner-Städtchen erwartet, darunter auch Bundespräsident Christian Wulff. Zum Höhepunkt des Wandertages am Sonntag (14. August), dem Festumzug mit 10.000 Teilnehmern, fallen dann noch einmal voraussichtlich 30.000 Tagesausflügler ein. Die Hotels im Umland seien alle voll, sagt Berghegger. Der DWV rechnet mit zusätzlich 50.000 Übernachtungen in der Region.

Wanderexperte Brämer schätzt die Kosten der einwöchigen Veranstaltung auf eine Million Euro. Dem widerspricht der Bürgermeister, der nur sagt, es sei eine "große finanzielle Herausforderung". Aber die lohne sich. Die Gemeinde habe bereits bei der Ausrichtung des Tages der Niedersachsen 2006 entsprechende Erfahrungen mit Großereignissen gesammelt. Brämer bleibt hinsichtlich der nachhaltigen Auswirkung auf den Tourismus skeptisch. Vom Wandertag, vor allem dem Festumzug, schwärmt er dennoch: "Da herrscht eine großartige Stimmung." (dapd)