Berlin. .

Wer war der „Protokollant“ aus den Reihen der Liberalen, der die US-Botschaft in Berlin direkt mit Informationen aus den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen versorgt haben soll? Das Thema beschäftigt die Hauptstadtpolitiker ebenso sehr wie massenhafte Veröffentlichung amerikanischer Botschafter-Depeschen über die Internetseite Wikileaks.

Auf die Frage, nach welchen Kriterien deutsche Diplomaten ihren Dienst versehen, antwortete der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, am Montag: „Sachorientiert, analytisch und im Interesse der Bundesrepublik“. Legt man diese Schablone auf die US-Botschaft in Berlin an, könnte man ins Grübeln kommen.

„Wenn sie in die Enge getrieben wird, ist sie hartnäckig, aber sie meidet das Risiko und ist selten kreativ“, kabelte die Botschaft über Kanzlerin Angela Merkel nach Washington. Über Außenminister Guido Westerwelle war zu lesen: „Er wird, wenn er direkt herausgefordert wird, vor allem von politischen Schwergewichten, ag­gressiv und äußert sich abfällig über die Meinung anderer Leute.“

Sätze, die nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken sollten. Genau da sind sie jetzt. Guido Westerwelle versuchte sich in Gelassenheit. Persönlich sei er nicht getroffen, sagte er. US-Außenministerin Hil­lary Clinton habe ihn ange­rufen und die Panne „bedauert“; mehr war weder „nötig noch angebracht“.

Schäuble , „ein zorniger alter Mann“

Ministerkollege Wolfgang Schäuble nannte die Enthüllungen unappetitlich. Er habe die Berichte noch nicht ge­lesen: „Ich muss auch sagen: Ich habe geringes Interesse daran.“ Über Schäuble heißt es bei Wikileaks unter Berufung auf einen Informanten aus der FDP, er sei „neurotisch“ und „ein zorniger alter Mann.“ Ein Informant aus der FDP? Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt und Westerwelle-Vertrauter, treibt es nicht um, dass aus­gerechnet ein Liberaler gegenüber US-Diplomaten Interna aus den Koalitionsverhandlungen von FDP und Union ausgeplaudert haben soll.

Laut Wikileaks schrieb US-Botschafter Philip D. Murphy von einem „jungen, auf­strebenden Parteigänger“ der Liberalen, der „Botschaftsmitarbeitern schon in der Ver­gangenheit interne Parteidokumente an­geboten“ hat und bereit sei, „No­tizen vorzulesen und Dokumente aus den Verhandlungen zu übergeben“.

Ein enger Vertrauter Westerwelles

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte dazu: „Ich bestreite, dass es einen Informanten gibt.“ Auch Guido Westerwelle wollte der Ge­schichte „keinen Glauben schenken“. Was aber, wenn stimmt, was FDP-Leute in ­Berlin hinter vorgehaltener Hand sagen und der heutige Planungsamtschef im Außenministerium, Robert von ­Rimscha, der Zuträger gewesen sein sollte?

Der Ex-Pressesprecher der FDP, ein enger Vertrauter Westerwelles, war früher als USA-Korrespondent einer Zeitung tätig, pflegte gute Kontakte zu den US-Botschaftern. Ihm einen Geheimnisverrat anzudichten, hielten auch Ex­perten auf Unionsseite für völlig übertrieben: „Der US-Botschafter hätte dann die gleichen Quellen gehabt wie die Hauptstadtpresse – na und?“