Riga/Frankfurt. Im Baltikum machen russische Touristen scharenweise Urlaub - diesmal bleiben sie wegen der Rubel-Krise aus. Auch der deutsche Tourismus ist betroffen.

Wohlhabende Russen zählen in vielen Teilen Europas zu den beliebtesten Kunden des Gastgewerbes. Doch die angespannte Wirtschaftslage in ihrer Heimat hinterlässt auch im Tourismus tiefe Spuren. Angesichts des Rubel-Verfalls und des damit verbundenen Kaufkraftverlusts russischer Urlauber sorgen sich Hotels und Restaurants um ihr Geschäft - vor allem in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Betroffen ist aber auch Deutschland.

Traditionell fahren viele Russen, die als orthodoxe Christen Weihnachten erst am 6. Januar feiern, in den Winterferien in den Urlaub. Die gut betuchte Mittelschicht flieht dabei so schnell wie möglich in südliche Gefilde wie Ägypten oder die Türkei. Die reiche Elite zieht eher in noble Alpenorte in Österreich oder der Schweiz ein, die sich über Neujahr regelmäßig in Klein-Moskau verwandeln.

Viele bleiben zu Hause

Doch weil durch die Rubel-Krise Reisen ins Ausland teurer werden, verbringen viele Russen die freien Tage nun lieber auf ihrer eigenen Datscha. Schon seit Beginn des Ukraine-Konflikts sind viele zu Hause geblieben. Insgesamt seien nur gut halb so viele Russen wie 2013 verreist, meldete der russische Branchenverband zu Weihnachten.

Auch in Deutschland hat der zuvor starke Zulauf von Shoppingurlaubern und Gesundheitstouristen aus dem größten Land der Erde nachgelassen. 2014 übernachteten hier nach Angaben des Statistischen Bundesamts bis Ende Oktober 5,1 Prozent weniger russische Gäste. Sie ließen auch weniger Geld in Baden-Baden oder Dresden als in den Vorjahren.

Deutschland als beliebtestes europäisches Reiseziel

Die Deutsche Zentrale für Tourismus beobachtet die Entwicklung noch entspannt. "Trotz der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation ist Deutschland das beliebteste europäische Reiseziel der Russen", sagt Vorstandschefin Petra Hedorfer. "Wir sind überzeugt, dass der russische Reisemarkt mittelfristig wieder an die sehr gute Entwicklung vergangener Jahre anknüpfen wird und Deutschland als Destination russischer Gäste eine immer stärkere Rolle spielen wird."

In Lettland dagegen spürt Ieva Keisa vom Reiseveranstalter Latvia Tours die Folgen der Rubel-Talfahrt: "Russische Bürger investieren ihre Ersparnisse in Sachwerte anstatt Auslandsreisen." ?Die Buchungen aus Russland zum Jahreswechsel über ihre Firma lägen bislang bei nur etwa 20 Prozent des Vorjahresniveaus. Andere Reisebüros verzeichneten 40 bis 70 Prozent weniger russische Touristen, berichtet Keisa.

Russische Kultur im Baltikum genießen

Die Vorliebe der Russen für das Baltikum, das einst als "sowjetischer Westen" galt, stammt noch aus den Zeiten der UdSSR. Bis heute ist die russische Sprache dort immer noch gängig, vielerorts kann man russische Kultur genießen. Regelmäßig liegen russische Touristen deshalb in der Besucherstatistik vorn. Eine anhaltende Rubel-Schwäche könnte daher auch im neuen Jahr weiter auf das Geschäft drücken.

"Die Buchungen für Neujahr waren zurückhaltend in diesem Jahr. Wir haben so einen Rückgang sechs oder sieben Jahre lang nicht mehr gesehen", sagt Evalda Siskauskiene, Präsidentin des litauischen Hotel- und Gaststättenverbands. Bereits zuvor musste die Branche einen deutlichen Besucherschwund verkraften: Seit dem Frühjahr kamen nach Schätzungen des Verbands etwa 30 Prozent weniger russische Touristen nach Litauen. In den Nachbarländern ist die Lage ähnlich.

Ein Lichtblick im dunklen und kalten Winter

Für die Hotels und Restaurants in Tallinn, Riga oder Vilnius sind die zum Jahreswechsel anreisenden Gäste aus Moskau oder Sankt Petersburg sonst ein Lichtblick im dunklen und kalten Winter, in dem es nur wenige westliche Touristen in die drei kleinen Ostseeländer zieht. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums stammt im Januar jeder dritte Übernachtungsgast in Estland aus Russland.

"Russische Touristen waren immer diejenigen, die in der ersten Januar-Woche zu einem positiven Monatsergebnis beigetragen haben", sagt Ain Käpp vom estnischen Hotelverband. Allein in Tallinn dürfte nun wegen ausbleibender Gäste und des nicht mehr so locker sitzenden Rubels der Umsatz in den Hotels zum Jahresbeginn um geschätzte 20 bis 30 Prozent zurückgehen. (dpa)