Essen. Die Zahl der russischen Touristen ist 2014 an vielen beliebten Urlaubsorten stark gesunken. Schuld sind wohl die im Rahmen der Ukraine-Krise durchgeführten Sanktionen der EU-Staaten und die damit einhergehende Abwertung des Rubels. Aber auch Probleme bei der Visumsvergabe spielten eine Rolle.

Trübe Aussichten für das Geschäft von NT Incoming. Das auf Mallorca ansässige Reiseunternehmen, das vor allem den russischen Markt bedient, sieht einer miesen Jahresbilanz entgegen. Rund 30 Prozent weniger Gäste aus Russland urlauben in diesem Jahr auf der Baleareninsel, sagte jüngst ein Sprecher des Veranstalters der Inselzeitung „Diario de Mallorca“. Schuld seien die Sanktionen westlicher Staaten gegenüber dem russischen Riesenreich und die damit einhergehende Abwertung des Rubels. Die Kaufkraft der Währung gegenüber dem Euro ist um gut 25 Prozent zurückgegangen – mit den steigenden Hotelpreisen auf Mallorca eine explosive Mischung.

Ähnlich sieht es in der Schweiz aus. Im Schnitt ist die Zahl russischer Touristen zwischen Aargau und Wallis in diesem Jahr um sieben Prozent eingebrochen. In einigen Ferienorten wie Luzern blieb im Mai jeder dritte russische Gast fern. Jörg Peter Krebs, für Deutschland zuständiger Landesleiter von Schweiz Tourismus, muss sich ebenfalls mit schlechten Buchungszahlen arrangieren: „Wir rechnen für dieses Jahr mit bis zu zehn Prozent weniger Gästen“, sagt er, kann aber die tatsächlichen Auswirkungen auf den eidgenössischen Fremdenverkehr noch nicht genau abschätzen. „Dafür fehlen uns noch konkrete Zahlen.“

Weniger Touristen in Österreich und der Schweiz

Fest steht: Russische Gäste sind in der Schweiz gern gesehen. Viele, besonders die begüterten Touristen aus dem osteuropäischen Land, zeigen ihren Wohlstand und sind nicht knauserig. Etwa 1000 Franken gebe laut Recherchen des Schweizer Rundfunks eine vierköpfige Familie an ihrem Urlaubsort aus – pro Tag.

Einem ordentlichen Batzen Geld muss auch der Nachbar Österreich nachtrauern, besonders Tirol, im Winter das Lieblingsziel russischer Gäste. Fast jeden zweiten Russen, der in der kalten Jahreszeit in den Alpen urlauben will, zieht es eigentlich in die Täler und Städte zwischen Kitzbühel und Landeck. Die örtlichen Touristiker rechnen allerdings nicht damit, die Zuwachsraten von bis zu acht Prozent der vergangenen Jahre auch in diesem Winter zu erreichen. „Das hat sich bereits im vergangenen Jahr abgezeichnet“, sagt Florian Kahr von Tirol Marketing, „da waren es schon erheblich weniger Gäste aus Russland“. Für den kommenden Winter sei man mit den Prognosen vorsichtig: Man werde sich eher auf rund einem Prozent Gästezuwachs einpendeln, „mehr ist wohl nicht drin“.

Auch innerdeutsch machen sich die Russen rar. „Das ist in der Tat bedauerlich“, meint Beate Killian von der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Konnte man im letzten Jahr im gesamten Bundesgebiet noch rund zweieinhalb Millionen Übernachtungen durch russische Staatsbürger verzeichnen, werden es mit dem Jahresabschluss etwa 1,8 Prozent weniger sein. Allein in Hessens Metropole Frankfurt buchten fast zwölf Prozent weniger russische Staatsbürger von Januar bis Juli ein Zimmer für die Nacht – und Bayerns Hauptstadt München sah im gleichen Zeitraum bis zu drei Prozent, im Mai sogar satte 16 Prozent weniger.

Angeblich Probleme bei der Visumsvergabe

Liegt das nur am schwachen Rubel, wie auch Beate Killian mutmaßt? Der Kaufkraftverlust, gepaart mit einem zurückgehenden Reiseinteresse seitens der Bevölkerung, führte schließlich seit Mitte letzten Jahres für bislang fünf insolvente russische Reiseveranstalter. Mangels Nachfrage setzt die russische Airline Aeroflot auf einigen Strecken bereits kleinere Maschinen mit weniger als 100 Plätzen ein.

Es kommt allerdings wohl noch ein anderer Grund ins Spiel. So berichtete die „Stimme Russlands“, der staatliche russische Auslandsrundfunk, bereits vor Monaten von einem „Russenhass“ in Europa, anzumerken an Problemen bei der Visumsvergabe in einzelnen Ländern und unfreundlichen Hoteliers. In Polen oder Tschechien sollen Russen teilweise in Restaurants nicht mehr bedient worden sein. Dies habe zu einem gestiegenen Patriotismus geführt, Urlaubsziele im eigenen Land werden attraktiver. Man könne nicht nur in München oder Mailand gut shoppen, sondern auch in Singapur, Dubai oder Hongkong. Wovon sich aber der Durchschnittsrusse einen Trip nach Fernost angesichts eines abgewerteten Rubels leisten soll, darüber schweigt sich die „Stimme Russlands“ aus.