Essen. Die Ebola-Epidemie in Afrika wirkt sich nun auch auf die Tourismusbranche aus. Aus Angst vor der Krankheit stornieren immer mehr Urlauber ihre Reise. Auch die Zahl der Neubuchungen ist gesunken. Dabei wird oft vergessen, dass nicht alle afrikanischen Länder von der Krankheit betroffen sind.
Es ist der 1. August 2014: Flug SW722 der Air Namibia von Kapstadt nach Windhoek. Im Flieger sind alle Plätze belegt. Es ist 7.30 Uhr morgens, die Maschine ist gerade auf dem Hosea-Kutako-Flughafen der namibischen Hauptstadt gelandet, als die Crew die Passagiere über die Lautsprecher informiert: Es gebe einen Fluggast, der sich unwohl fühle, man müsse noch einige Momente an Bord warten, bis geklärt sei, was ihm fehle. Es ist heiß an Bord, die Stimmung angespannt. Der Fluggast, der über Johannesburg aus Äthiopien angereist war, hatte während des Fluges über Unwohlsein geklagt. Die Crew vermutete Symptome von Ebola.
Vier Stunden müssen die 111 Passagiere am Ende in dem Airbus A319-100 am Windhoeker Flughafen ausharren. Bis ein eilig einbestelltes Ärzte-Team Entwarnung gibt. Der Verdacht stellt sich als harmlose Lebensmittelallergie heraus. Der Fluggast hatte offensichtlich auf Hühnerfleisch reagiert.
Das Beispiel zeigt, wie professionell Crew und Behörden mit der Ausbreitung der Krankheit umgehen. Es zeigt aber auch die Verunsicherung, die die Seuche in Afrika auslöst. Längst klagt auch die deutsche Reisebranche über Einbrüche im bis Mai vielversprechend gelaufenen Afrika-Geschäft.
Auch interessant
Anfragerückgang liegt zum Teil bei 50 Prozent
Bei nahezu allen Veranstaltern häufen sich besorgte Kundenanfragen, bei einigen gibt es erste Stornos. Eigentlich sei man mit der Saison zufrieden, sagt Michael Merbeck vom Spezialanbieter Abendsonne Afrika aus dem schwäbischen Buch-Obenhausen. 17 von 54 afrikanischen Ländern hat sein Unternehmen im Programm. Aber jetzt drückt Ebola das Geschäft. „Der Anfragerückgang liegt irgendwo zwischen 30 und 50 Prozent. Wie sich das auf die Buchungen auswirken wird, müssen wir abwarten.“
Auch andere Veranstalter spüren die Krise. Studiosus registriert einen leichten Buchungsrückgang für das südliche und östliche Afrika. „Es gibt auch Tendenzen, dass sich Ebola auf die Nachfrage nach Marokko auswirken wird“, sagt Geschäftsführer Peter-Mario Kubsch. Beim Dresdner Erlebnisreiseanbieter Diamir, traditionell sehr stark im Afrika-Geschäft, ist die Zurückhaltung der Kunden ebenfalls zu spüren. „Die Nachfrage hinkt hinter den saisonüblichen Erwartungen her“, sagt Geschäftsführer Jörg Ehrlich.
Reiseerfahrene Klientel
Dabei spricht sein Unternehmen durchaus eine reiseerfahrene Klientel an. In den Katalogen finden sich nicht nur Reisen in klassische Safari-Destinationen, sondern auch in Länder wie Angola, Benin, Demokratische Republik Kongo, Djibouti, Gabun, Ruanda, Sudan und Tschad.
Die Unsicherheit vieler Reisender liegt nach Ansicht von Ehrlich an der teils überzogenen Medienberichterstattung, aber auch an mangelnden geografischen Kenntnissen. „Viele haben keine Vorstellung, wie weit Sierra Leone eigentlich von Südafrika weg ist. Von Freetown nach Kapstadt ist es weiter als von Freetown nach München.“ Die Europäer nehmen Afrika quasi in Sippenhaft. Ulrike Schäfer, FTI-Afrika-Spezialistin, ist aufgefallen, dass zudem große Unklarheit über afrikanische Inlandsflugverbindungen herrscht, die vermeintlich zur Verbreitung von Ebola beitragen. „Zwischen den afrikanischen Ländern finden weit weniger Flüge statt als zwischen Afrika und Europa“, sagt Schäfer. Auch ihr Unternehmen verzeichnet Rückgänge im Geschäft mit Reisen nach Südafrika, Kenia und Tansania. Beim Branchenprimus TUI macht sich die Buchungszurückhaltung noch nicht bemerkbar. „Aber auch unsere Kunden haben einen erhöhten Informationsbedarf“, heißt es aus Hannover.
Wie lange die Krise noch dauert, steht in den Sternen. Beim Deutschen Reiseverband (DRV), in dem mehr als 4000 Reisebüros, Reiseveranstalter und touristische Unternehmen organisiert sind, rechnet man nicht mit einem langfristigen Einbruch der Buchungszahlen. Doch auch in Berlin macht man sich so seine Gedanken. „Wirklich nachvollziehbar ist die Angst der Kunden nicht“, sagt DRV-Sprecher Torsten Schäfer. Deshalb hat der DRV erst vor einigen Tagen in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin ein Infoblatt aufgelegt und an alle Mitglieder verschickt. Darin beruhigt der Verband, das Ansteckungsrisiko für Reisende sei derzeit äußerst gering. Auch Schäfer bekräftigt: „Guinea, Sierra Leone und Liberia nehmen nur 1,4 Prozent der Gesamtfläche Afrikas ein. Die afrikanischen Touristenhochburgen sind vom Epidemie-Gebiet in der Regel Tausende Kilometer entfernt.“
Auch interessant
Kein einziger Ebola-Fall in Kenia
Im Internet kursieren derweil ungewöhnliche Vergleichskarten. Eine davon zeigt den afrikanischen Kontinent. Hineinkopiert in seine Umrisse sind die USA, China, Indien, Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Deutschland und verschiedene Staaten Osteuropas – alles zusammen nicht einmal so groß wie Afrika. Doch die lustigen Bilderspielchen helfen nichts, denn die Tourismusindustrie in vielen afrikanischen Ländern liegt am Boden. In den Nachbarländern der Epidemie-Gebiete ist der Tourismus quasi völlig zum Erliegen gekommen. Dazu zählen Ghana, Togo, Benin und auch das zentralafrikanische Kamerun. Trotz der gewaltigen Entfernung leidet auch das gleichzeitig von einer politischen Krise betroffene Kenia unter einem Einbruch der Touristenzahlen.
In seiner Hilflosigkeit verbreitet das kenianische Fremdenverkehrsamt derzeit ein Informationsschreiben, in dem es zehn Gründe aufführt, warum Kenia-Reisende keinerlei Angst vor Ebola haben müssen. Darin ist nicht nur zu lesen, dass die nationale Fluggesellschaft Kenya Airways bereits vor Monaten alle Verbindungen in die betroffenen Länder gestrichen hat, sondern auch, dass es in Kenia seit der Entdeckung des Ebola-Virus in den 1970er-Jahren bislang keinen einzigen Ebola-Fall gegeben habe. Und das liege daran, dass die Kenianer andere Essgewohnheiten hätten. Im Gegensatz zu Westafrika, wo Buschfleisch in vielen Regionen täglich auf dem Speiseplan steht, sei in Kenia der Verzehr wilder Tiere nie üblich gewesen, heißt es in der Erklärung. Wissenschaftler gehen derzeit davon aus, dass Flughunde und Affen die Ursprungswirte des Virus sind.