Düsseldorf/Münster. Im Streit um die S-Bahnlinien S1 und S4 hat die Deutsche Bahn vorerst grünes Licht in Sachen „Notvergabe“. Doch ausgestanden ist noch nichts.
Für Pendler auf den viel befahrenen S-Bahnlinien S1 und S4 gibt es jetzt erstmal Klarheit: Die Deutsche Bahn (DB) wird mit dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember die S-Bahnlinien S1 und S4 tatsächlich vorerst weiter betreiben. Das Bahnunternehmen Keolis Deutschland hatte vor der Vergabekammer Westfalen gegen die DB geklagt. Doch das Gericht hat seine Entscheidung jüngst auf Ende Februar 2020 vertagt, sagte eine Sprecherin der zuständigen Bezirksregierung Münster auf Nachfrage.
Das bedeutet: Im Rechtsstreit um den Betrieb der beiden Linien läuft der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) vorerst nicht Gefahr, kurz vor dem Fahrplanwechsel seine Pläne über den Haufen werfen zu müssen. Ob das auch für Bahn-Pendler eine gute Nachricht ist, kann man aber noch nicht beantworten.
S-Bahn: Keolis wertet Fristverlängerung bei Vergabekammer als gutes Zeichen
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Ursprünglich hatte das Bahnunternehmen Keolis, das in NRW unter dem Namen Eurobahn verschiedene Regionalzuglinien bedient, im Juni 2016 den Zuschlag zum Betrieb der S-Bahnlinien S1 (Solingen-Dortmund) und S4 (Unna-Dortmund-Lüttgendortmund) bekommen. Doch Keolis musste im Spätsommer diesen Jahres eingestehen, zuwenig Lokführer zu haben. Der VRR sah damit auf den beiden S-Bahnlinien sein für den Fahrplanwechsel geplantes neue S-Bahnkonzept in Gefahr und kündigte den Vertrag mit Keolis.
Auch dagegen wehrt sich Keolis und reichte Anfang Oktober Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein. „Dieses Verfahren wird sicher ein bis zwei Jahre dauern“, sagte eine Keolis-Sprecherin. Umso mehr steht daher die Entscheidung der Vergabekammer im Fokus.
Dass dort nun die Frist bis zur Entscheidung um vier Monate ausgeweitet wurde, sieht man bei Keolis „auch als ein gutes Zeichen“, sagt Unternehmenssprecherin Nicole Pizzuti. Die Vergabekammer zeige, „dass man sich intensiv für den Fall interessiert“, zumal der ein Präzedenzfall ist. Dass ein Nahverkehrsträger einem Verkehrsunternehmen kündigt, noch bevor dessen Vertrag überhaupt in Kraft tritt, „gab es in Deutschland noch nicht“, bestätigt man auch beim VRR.
Deutsche Bahn will sich nicht zum aktuellen Stand in Sachen Lokführer äußern
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Ob Pendler mit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember auf den S-Bahnlinien S1 und S4 mit Problemen rechnen müssen, ist nach wie vor nicht klar. Denn es geht nicht nur um den Betriebsübergang zu einem neuen Bahnunternehmen. Auf mehreren S-Bahnlinien an Rhein und Ruhr werden zum 15. Dezember auch die Takt-Zeiten ausgeweitet. Damit werden auf den Linien mehr Triebfahrzeugführer nötig als bisher.
Als DB und VRR im September die Notvergabe verkündeten, räumte DB-Region NRW-Vorstandschef Frederik Ley ein, „die Kurzfristigkeit der Übernahme dieser Leistungen (ist) eine große Herausforderung für unser Unternehmen.“ Ende Oktober wiederholte man bei der DB diese Einschätzung. Jetzt, gut sechs Wochen vor dem Fahrplanwechsel, mag man sich bei der DB nicht zum Stand der Dinge äußern. Beobachter aus der Bahnbranche haben allerdings Zweifel, ob es der DB tatsächlich gelingen kann, das geforderte Personal zu organisieren.
Keolis beklagt „sehr viel Unruhe im Unternehmen“
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Bei Keolis/Eurobahn führt die aktuelle Lage zu „sehr viel Unruhe in unserem Unternehmen“, sagt Sprecherin Nicole Pizzuti. Insgesamt seien 260 Stellen für den Betrieb der S-Bahnlinie S1 und S4 geschaffen worden. Darunter seien 140 Kundenbetreuerinnen und -betreuer. Sie würden zum 15. Dezember „auf andere unserer Linien verteilt“, sagte Pizzuti. Auf die 80 Triebfahrzeugführer, die Keolis für den S-Bahnbetrieb bereits eingestellt hat, wartet womöglich kurzfristig eine Umschulung. Sie sollen vermutlich Regionalexpress-Züge steuern, hieß es bei Keolis. Dort befürchtet man auch, „dass einige unserer Lokführer jetzt zur DB abspringen, weil ihnen das sicherer erscheint“, meint Pizzuti. Alle Bahnunternehmen suchen Hände ringend Lokführer.
Dass die DB ihrerseits für den Betrieb von S1 und S4 Lokführer von Keolis leihen wollen könnte, stehe derzeit aber außer Frage: „Die DB hat uns klar signalisiert, dass sie unsere Unterstützung nicht benötigt“, sagt Keolis-Sprecherin Pizzuti.