Köln. Die Aktivisten von Mafianeindanke engagieren sich gegen die Organisierte Kriminalität. Was können sie bewirken? Wie steht es um ihre Sicherheit?
Man denkt gleich an abgeschnittene Pferdeköpfe und Betonfüße, wenn man hört, dass sich jemand mit der Mafia anlegt. Zum Beispiel mit der kalabrischen ‘Ndrangheta: mit Kokainhandel, Müllverklappung und Morden auf geschätzte 50 Milliarden Euro Jahresumsatz angewachsen – und in NRW durchaus präsent, wie die Razzien von Anfang Mai mit Schwerpunkt Siegen und Hattingen gezeigt haben. Gegen diese Verbrecher macht mobil: der Verein Mafianeindanke; in NRW studieren noch viele Aktivsten des jüngsten Landesteams.
Der Verein ist 2007 in Berlin gegründet worden, nach dem Sechsfachmord vor dem Duisburger Restaurant Da Bruno. Es waren überwiegend Italienerinnen und Italiener, die ein Zeichen setzen wollten, und ihre Ideen stammen ebenfalls aus Italien: Die Mafia ist keine Parallelwelt, sie ist Teil unserer Welt. Die Zivilgesellschaft muss aufstehen, Gesetzesänderungen einfordern, Korruption erkennen und melden. Polizei und Staatsanwaltschaften brauchen Unterstützung.
Schutzgelderpresser geschnappt
Als kurz nach Gründung des Vereins mehr als 50 italienische Gastronomen einen Drohbrief erhielten mit der „Bitte“ um Schutzgeld, kooperierten die Wirte mit Mafianeindanke und mit dem Landeskriminalamt – obwohl ein Auto und ein Restaurant angezündet wurden. Zwei Erpresser wurden gefasst.
Auch Maria ist Italienerin, geboren in Modena, seit fünf Jahren studiert sie Jura in Köln. Maria sagt, dass sie sich noch nie bedroht gefühlt habe; es ist eher ein Bauchgefühl der Aktivisten, die Nachnamen hier wegzulassen. Als Jugendliche ist Maria in ihrer Gemeinde auf den Verein Libera gestoßen, das Vorbild von Mafianeindanke. Im Sommercamp hat sie beim Anbau von „mafiafreien“ Tomaten und Salaten geholfen (angebaut auf von der Mafia konfiszierten Ländereien), hat mit Menschen geredet, die Angehörige durch die Organisierte Kriminalität verloren haben, hat darüber diskutiert, warum manche Brücken nie fertig gebaut werden, ist mit Anti-Mafia-T-Shirts durchs Dorf gelaufen. „Man fühlt sich als Feind“, sagt die 25-Jährige. So habe sie gespürt, wie durchdrungen die Gesellschaft ist – wie viele Menschen Angst haben, überhaupt mit dem Thema in Berührung zu kommen.
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Der 21. März ist ein weltweiter Gedenktag für die Opfer der Mafia, die NRW-Gruppe wollte zu diesem Anlass Flyer verteilen bei italienischen Gastronomen und eine Spendenaktion anstoßen. „Wir waren nicht wirklich erfolgreich“, gibt Friedrich zu. „Es war Desinteresse zu spüren oder sogar Angst.“ Vielleicht wollten die Wirte auch einfach nicht mit diesem Thema in Verbindung gebracht werden, weil es Kunden vergraulen könnte, glauben die Aktivisten.
„Man darf nicht in diskriminierende Muster verfallen“, sagt Jurastudent Friedrich. Aber natürlich geht es auch darum, verdächtige Muster zu erkennen – eine Gratwanderung. Da fährt immer ein Lieferwagen um Mitternacht in den Hof? Vielleicht mal bei der Polizei fragen oder auch bei Mafianeindanke. Beim Steuerberater will sich ein Analphabet ins Handelsregister eintragen lassen – „zufällig hat er einen Typen dabei, der ihn dabei berät“. Es gehe darum „Infiltrationen zu erkennen und zu verhindern“, sagt Friedrich. „Die Mafia platziert ihre Leute in der Gesellschaft. Wir wollen das genauso tun.“
Mehrere Dutzend Stützpunkte
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Dass auch Deutschland bereits durchdrungen ist, daran haben die Aktivisten keinen Zweifel. Der Journalist Sandro Mattioli ist Vorsitzender von Mafianeindanke und erklärt: „Die Bundesregierung spricht von 505 Mitgliedern der ‘Ndrangheta, italienische Staatsanwälte gehen von mehr als 3000 Mitgliedern aus. Man muss davon ausgehen, dass es viele Stützpunkten gibt, mehrere Dutzend mindestens, wenn nicht hundert oder mehr.“ Auch Landesinnenminister Herbert Reul nannte NRW „einen Rückzugsraum für die ‘Ndrangheta“. Bei den Großrazzien Anfang Mai standen zum Beispiel Eisdielen in Siegen, Bedburg, in Erfurt und Saarlouis im Fokus: austauschbare Fassaden. Das Böse ist immer und überall.
„Die Mafia arbeitet dort besser, wo sie unsichtbar ist“, sagt Friedrich? „Wo die Leute die Augen verschließen und sich denken: Hier kann ich sowieso nichts unternehmen.“ Da wollen sie ansetzen – mit Vorträgen in der Uni und bald auch in anderen Institutionen. Im Austausch mit Staatsanwälten und dem Landeskriminalamt, das seine Ermittlungskommission EK Eureka nannte, was man übersetzen kann mit: „Ich habe es gesehen.“ Und darum geht es den Aktivisten auch: Der deutschen Gesellschaft die Augen zu öffnen und zu zeigen: Die Mafia ist auch hier ein Problem. Ihre Geldwäsche trägt dazu bei Immobilienpreise und Mieten nach oben zu treiben. Korruption sorgt dafür, dass öffentliche Bauvorhaben teurer werden.
Risiko nur in exponierter Position
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Sind die Studenten nur deshalb unbehelligt geblieben, weil die Mafia in ihren Aktivitäten keine Gefahr sieht? Felix (27) aus Österreich glaubt, dass dieses Risiko nur in exponierter Position besteht. Der Vereinsvorsitzende Sandro Mattioli etwa ist bereits bedroht worden. Felix hat in Italien studiert und kam an der Uni zum Anti-Mafia-Ehrenamt. Dort hat er auch einen Journalisten kennengelernt, der nur mit bewaffnetem Begleitschutz zu den Treffen kam. Es hat ihn eher bestärkt in seiner Sicht, „wie schlimm das für die Gesellschaft ist.“
„Wir sind recht viele Leute, die man einschüchtern müsste“, sagt Felix, auch er studiert nun in Köln. „Und wenn unsere Wohnungen brennen würden, stände das sofort in der Zeitung. Insbesondere in Deutschland möchte die Mafia genau das nicht: Aufmerksamkeit.“