Palmöl gilt als Klimakiller, es steckt in jedem zweiten Supermarkt-Produkt – und in Biodiesel. Zu ersetzen aber ist es gar nicht so leicht.

Die Problematik

1999 lebten auf Borneo noch 100.000 mehr Orang-Utans als heute. Und Borneo-Orang-Utans leben nur auf Borneo... Zwei weitere Arten finden sich auf Sumatra, aber auch die sind vom Aussterben bedroht, genau wie der Sumatra Tiger und andere Tierarten, aus gleichem Grund: Ihr Lebensraum – und damit auch der einiger indigener Völker – ist zerstört; gigantische Flächen des wertvollen Klima-Stabilisators Regenwald wurden abgeholzt , mehr als 25 Millionen Hektar seit 1990 allein in Indonesien, ein Fußballfeld alle 30 Sekunden! Ölpalmen wachsen nun dort, in riesigen Monokultur-Plantagen: Die Nachfrage nach Palmöl ist in den letzten Jahren explodiert. „Es ist heute das weltweit meistverwendete Öl, extrem billig und hervorragend zu verarbeiten“, erklärt Sabine Klein, Verbraucherschutzzentrale NRW.

Immer mehr indonesischer Regenwald weicht Palmen-Plantagen – mit verheerenden Folgen für Klima, Artenvielfalt und die die Menschen, die dort zuhause sind.
Immer mehr indonesischer Regenwald weicht Palmen-Plantagen – mit verheerenden Folgen für Klima, Artenvielfalt und die die Menschen, die dort zuhause sind. © Bagus Indahono/EPA/dpa | Bagus Indahono

Neben dem ökologischen Schaden, den das Verschwinden des Regenwalds durch das Freisetzen von Treibhausgasen verursacht, gibt es Klein zufolge bei Palmöl weitere Probleme: die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen in Indonesien, aber auch in Südamerika. Klein spricht von „Versklavung“. Bei der Raffination von Palmöl, erklärt die Diplom-Ökotrophologin, entständen zudem gefährliche Substanzen, Fettsäureester wie 3-MCPD, die krebserregend und nierenschädigend sein sollen. Vor allem Säuglinge und Kleinstkinder seien gefährdet. Gesund ist es seiner vielen gesättigten Fettsäuren wegen für niemanden.

Viele Menschen haben längst verstanden, wollen auf Palmöl verzichten. Doch das ist nicht so leicht.

Wo steckt Palmöl drin?

Denn Palmöl findet sich in jedem zweiten Supermarkt-Produkt: in Tütensuppen, Fertiggerichten, Pizza und Margarine, Schokolade und Chips, Frittiertem und Backwaren, in Glasuren und Eis, Babymilch und -brei; aber auch in Kosmetika, Putz- und Waschmitteln; und vor allem: in Biodiesel.

Lebensmittel

Seit 2014 muss Palmöl in Lebensmitteln auf der Zutatenliste deklariert sein. „Früher reichte es, wenn da ‘pflanzliche Fette’ stand, heute muss auch deren botanische Herkunft ausgewiesen werden“, erklärt Klein. Ein Blick aufs Kleingedruckte hilft also. Für Säuglingsnahrung ist zudem seit Beginn des Jahres ein Höchstgehalt an 3-MCPD vorgeschrieben. „Wer stillen kann, sollte das aber tun“, rät Klein.

Kosmetika, Putz- und Waschmittel

Bei diesen Produkten ist es schwerer zu erkennen, ob Palmöl drin steckt, „eigentlich gar nicht“, sagt Philip- Heldt, Umweltexperte der Verbraucherzentrale. Die Endung „-palmate“ in der „Inci-Deklaration“, die für Kosmetika verpflichtend ist, deute darauf hin, dass Palmöl Bestandteil des Produkts sei, „aber es könnte auch Erdöl sein, oder ein ganz anderes Fett“. Selbst in Naturkosmetika finde man Palmöl. Für Reinigungsmittel reicht als Inhaltsstoff-Erklärung „Tenside“. „Man erfährt nie, was genau drin steckt“, sagt Heldt.“

Biodiesel

Palmölfrüchte: Durchschnittlich 3,3 Tonnen Öl liefert ein Hektar Ölpalmen-Plantage – so viel wie keine andere Pflanze.
Palmölfrüchte: Durchschnittlich 3,3 Tonnen Öl liefert ein Hektar Ölpalmen-Plantage – so viel wie keine andere Pflanze. © dpa | Mast Irham

Der größte Teil des Palmöls, das Deutschland importiert, fließt in Biodiesel, „den man gar nicht so nennen dürfte“, sagt Heldt, „Biodiesel ist Betrug!“ 2009 beschloss die EU eine „Beimischungspflicht von Agrosprit“ für Benzin und Diesel – gut gemeint womöglich, aber tatsächlich: furchtbar schlecht für die Umwelt. Der aus Palmöl produzierte Biosprit ist dreimal so klimaschädlich wie Treibstoff aus Erdöl, errechnete die Initiative „Rettet den Regenwald“. 90 Jahre müsste man eine Palmölplantage, die für die Biodiesel-Produktion auf einem Torfmoor-Regenwald entstand, betreiben, bis die CO2-Bilanz neutral wäre, erläutert Heldt. „Erst im 91. Jahr hätte die Umwelt Nutzen von diesem Biodiesel. Und keiner kann mir erzählen, dass die Palmöl-Plantagen so lange betreiben.“ Die EU räumt ihren Fehler inzwischen ein, ordnete den Verzicht auf Palmöl in Biodiesel an, bis 2030! „Viel zu spät“, meint Heldt. „Bis dahin wird viel zu viel Wald zerstört werden.“

Wie lösen wir das Problem?

„Kein Palmöl ist keine Lösung“ befand eine WWF-Studie 2016 zu möglichen ökologischen Effekten eines deutschen Palmöl-Boykotts. Das Ergebnis: Wenn man Palmöl durch Kokos-, Soja-, Sonnenblumen- und Rapsöl ersetzte, hätte das einen massiv höheren Flächenbedarf zur Folge, die Treibhausgas-Emissionen würden steigen, Tier- und Pflanzenarten wären mehr denn je gefährdet.

Vom Aussterben bedroht: die Borneo Orang Utans.
Vom Aussterben bedroht: die Borneo Orang Utans. © shutterstock | Shutterstock

Sabine Klein schlägt vor auf die Zutatenliste zu gucken und Produkte mit Palmöl gegen solche ohne zu tauschen, wenn man Alternativen fände; ansonsten auf zertifiziertes Palmöl zu setzen, solches aus nachhaltiger Produktion (mit dem freiwilligen „RSPO-Siegel“). Über 80 Prozent des Palmöls, das in der deutschen Lebensmittelindustrie verwendet werde, sei bereits zertifiziert. „Selbst Greenpeace hat inzwischen anerkannt, dass sich die Situation verbessert hat.“ Allerdings ist auch dieses Siegel umstritten – und selbst für zertifizierte Plantagen muss Regenwald weichen.

Die noch bessere Lösung darum auch für Klein: selber kochen, weniger Fast Food essen. Tue im Übrigen nicht nur der Umwelt gut, sondern auch dem eigenen Körper, sagt die Ernähurngsfachfrau..

Verzicht, sagt Philip Heldt, sei die einzig mögliche Lösung, was den Nonfood-Bereich angeht: Weniger Kosmetika („oder einfach mal Mandelöl statt Fettcreme probieren“), weniger Waschmittel, weniger Klo-Reiniger. „Wir müssen den Verbrauch senken, wir dosieren aus alter Gewohnheit viel zu hoch.“

Entscheidend aber, sagt der Experte, sei: weniger Auto zu fahren. Damit die Orang Utans überleben.

>>>INFO: Zahlen und Fakten

76 Millionen Tonnen Palmöl wurden 2020 weltweit produziert – 60 Millionen davon in Indonesien und Malaysia. Das entspricht gut 80 Prozent der Weltproduktion. Die Anbauflächen in beiden Ländern haben sich seit 1990 versechsfacht.

Deutschland verbraucht nach Angaben von WWF jährlich gut 1,8 Millionen Tonnen Palmöl und Palmkernöl. 52 Prozent davon werden verfeuert, vor allem als Biodiesel.

Auf der Zutatenliste von Lebensmitteln muss „pflanzliche Fette (palm)“ stehen. Ob Waschpulver oder Make-up Zutaten enthalten, die aus Palmöl hergestellt wurden (Emulgatoren etwa), ist nicht so leicht herauszufinden. Palmöl-freie Produkte sind meist – wie bei Lebensmitteln – eigens ausgewiesen. Bezeichnungen wie Sodium Lauryl Sulfoacetate und Cetyl Palmitate oder Abkürzungen wie capr-, cet-, cetear-, cetyl-, coc-, cocoi-, glycer-, laur-, linol-, myrist-, ole- oder stear- deuten darauf hin, dass welches drin steckt. Einen guten Überblick verschafft eine gemeinsame Broschüre von Robin Wood, ecodevelop und Umweltblick, zu finden im Internet unter: www.produkte-ohne-palmoel.de

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