Essen. . Die Organisation Oxfam sieht bei Aldi, Lidl, Edeka und Rewe Versäumnisse, wenn es um die Einhaltung der Menschenrechte bei Zulieferfirmen geht.
Deutschlands führende Lebensmittelhändler Aldi, Lidl, Edeka und Rewe tun nach Einschätzung der internationalen Hilfsorganisation Oxfam zu wenig, um die Menschenrechte der Beschäftigten in den Zulieferbetrieben zu schützen. „Existenzsichernde Löhne in den Lieferländern sind die große Ausnahme“, sagte Oxfam-Expertin Barbara Sennholz-Weinhardt im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das ist bei der Kaffeeproduktion in Kolumbien kaum anders als bei der Orangen-Ernte in Brasilien oder auf Tomaten-Plantagen in Marokko.“
In einer neuen Studie kommt Oxfam zu dem Urteil, dass die deutschen Branchenriesen im internationalen Vergleich schlecht abschneiden, wenn es darum geht, für die Einhaltung von Menschenrechten und gute Arbeitsbedingungen in den Lieferländern zu sorgen. „Im Vergleich mit Supermarktketten aus Großbritannien und den USA stellen wir fest, dass die vier großen deutschen Unternehmen Aldi, Lidl, Edeka und Rewe hierzulande hinterherhinken“, bemängelt Sennholz-Weinhardt. Anhand von zwölf Produkten wie Reis, Kakao und Avocados werde in der Studie auch nachgewiesen, dass die Durchschnittseinkommen von Kleinbauern und Arbeitern flächendeckend unter dem Existenzminimum liegen, während die Supermarktketten immer mehr vom Verkaufserlös behalten.
Einsatz von gesundheitsgefährdenden Pestiziden
„Der Druck deutscher Supermarktketten, möglichst billig zu produzieren, wird an die Lieferanten und deren Arbeiterinnen und Arbeitern weitergegeben“, konstatiert Oxfam-Expertin Sennholz-Weinhardt. Das wirke sich in den Zulieferbetrieben aus. „Prekäre Arbeitsbedingungen beschränken sich nicht auf wenige Länder, sondern sind weit verbreitet“, berichtet sie. „Ich denke beispielsweise an den Anbau von Bananen in Ecuador, Weintrauen in Südafrika, Ananas in Costa Rica, Tee-Plantagen in Indien oder die Garnelen-Zucht in Indonesien und Thailand.“ Auch der Einsatz von gesundheitsgefährdenden Pestiziden gehöre auf vielen Plantagen zum Alltag.
„Aldi, Lidl, Edeka und Rewe haben eine Verantwortung für das, was bei ihren Lieferanten geschieht. Doch leider schauen die Konzerne an vielen Stellen weg“, sagt die Oxfam-Expertin. So werde in den Produktionsländern oft unterbunden, dass sich Arbeiter in Gewerkschaften organisieren. „Auch die Frauenrechte werden häufig mit Füßen getreten.“ Auf vielen Plantagen gebe es nicht einmal eine Toilette.
„Eine Kampagne, nicht wissenschaftlich-objektiv“
Edeka wies die Vorwürfe von Oxfam zurück. „Die Bewertung ist intransparent und daher für uns nicht nachvollziehbar“, erklärte das Unternehmen auf Anfrage. „Es handelt sich hier um eine Kampagne und nicht um eine wissenschaftlich-objektive Studie.“ Edeka sei es „ein großes Anliegen, an einer dauerhaften Verbesserung der Arbeitsbedingungen in unseren Lieferländern weltweit mitzuwirken“.
Die Discounter Aldi Nord und Aldi Süd kündigten an, die Empfehlungen von Oxfam zu prüfen und gegebenenfalls zu berücksichtigen.
Lidl erklärte, der Oxfam-Bericht umfasse wichtige Themen, „bei denen uns als internationales Handelsunternehmen eine Verantwortung zukommt“.
Auch die Rewe-Gruppe arbeitet nach eigenen Angaben „aktiv an der Weiterentwicklung von Sozial- und Arbeitsstandards“.
Oxfam fordert von den Supermarktriesen mehr Einsatz dafür, dass bei der Lebensmittelproduktion die Menschenrechte eingehalten werden. „Das Ziel möglichst billiger Einkaufspreise darf nicht alles andere überlagern“, mahnt Sennholz-Weinhardt. „Super billig und super fair – das geht nicht zusammen.“ Es sei wichtig, dass die Supermarktketten ihre Verantwortung ernst nehmen. Mit ihrer Macht haben sie auch die Möglichkeit, positiv auf die Regierungen in den Lieferländern einzuwirken.“
„Zum Teil sehr fragwürdige Zertifizierungen“
Oxfam macht sich unter anderem dafür stark, dass Beschäftigte auf den Plantagen eine Anlaufstelle bei Beschwerden erhalten. Auch im Management der deutschen Supermarktriesen sollte es nach Einschätzung der Hilfsorganisation Ansprechpartner für das Thema geben. „Dass in den Geschäftsleitungen ein Verantwortlicher für die Einhaltung der Menschenrechte benannt ist, sollte eigentlich Standard sein“, sagt Sennholz-Weinhardt.
Außerdem fordert Oxfam mehr Transparenz bei der Auszeichnung von Produkten. „Die Supermarktketten setzen zum Teil auf sehr fragwürdige Zertifizierungen“, gibt Sennholz-Weinhardt zu bedenken. Verbrauchern empfiehlt sie, häufiger bei Produkten mit Siegeln wie Gepa oder Fair Trade zuzugreifen. Sinnvoll sei, „auch einfach mal im Supermarkt nachzufragen, wo die Produkte herkommen und wie das Unternehmen sicherstellt, dass es unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurde“. So bekomme die Supermarktbranche das Signal: „Das Thema ist uns wichtig.“