Ruhrgebiet. . Die Stormchaser aus dem Ruhrgebiet beobachten und fotografieren faszinierende Wetter-Phänomene. Ihnen geht es nicht ums Abenteuer, sondern um seltene Wolkenstrukturen oder besondere Gewitterfronten. Was sie beim Pfingststurm “Ela“ zu sehen bekamen, war “atemberaubend“.
Wenn irgendwo kalte Luftmassen auf warme stoßen, wenn sich am Himmel Multizellen oder gar Superzellen aufbauen und heftige Niederschläge, Böen oder Hagel drohen, dann hält sie nichts mehr in den vier Wänden. Dann müssen sie raus! Raus in die Natur, aufs freie Feld, wo der Blick keine Grenzen kennt. In den USA gibt es sie schon länger, nun auch in Deutschland: Stormchaser, Sturmjäger. Sie warnten vor der Wucht von Pfingststurm Ela noch bevor der das Ruhrgebiet erreichte: „Das ist kein Spaß, das ist Ernst!“
Diese Landschaft wirkt wie gemalt für wahre Sturmjäger. Eine schmale Straße am östlichen Rand Dortmunds, rechts und links nichts als Felder und darüber - hier noch licht und sommerlich leicht, weiter westwärts jedoch düster und drohend - der Himmel über dem Ruhrgebiet. Es ist ein Sonntag noch im August. Tobias, der Stormchaser aus dem Ruhrgebiet, steht bereits auf Posten. Die Stative mit den Spiegelreflexkameras aufgebaut, den Blick in die Ferne gerichtet. Warten auf das, was kommen mag.
"Atemberaubend war das"
So ist es oft, so war es auch am Pfingstmontag. Da reisten sie der Wetterfront entgegen, bis Eschweiler bei Aachen. Tobias Mieseler und der Dortmunder Ricardo Zelisko, zwei von vielen Sturmjägern, die ahnten, das da etwas ganz Ungewöhnliches im Anzug war. Wie üblich kontrollierten sie zwischendurch per Handy Satelliten- und Radarbilder, waren ständig mit anderen Stormchasern in Kontakt.
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Und dann sahen sie die ungewöhnlichen Wolkenstrukturen, die sich in Richtung Ruhrgebiet bewegten. „Atemberaubend war das“, erinnert sich Tobias Mieseler, „so etwas sieht man sonst nur in den USA. Eine geschichtete Gewitterfront, grünlich gefärbt, voller Hagel.“
Ihre amerikanischen Vorbilder fahren in die Tornados herein
Eilig warnten sie Freunde und Familien per SMS und schickten ihre Infos über das drohende Unwetter an skywarn, das Netzwerk der Skychaser, das wiederum in Kontakt mit den deutschen Wetterdiensten steht. Sie waren sich der Gefahr bewusst, wollten nichts riskieren und fuhren schleunigst zur nächsten Tankstelle, um sich in Sicherheit zu bringen.
Denn anders als ihren US-amerikanischen Kollegen geht es ihnen nur um das Beobachten von Wetterphänomenen. „Wenn Blitze über uns einschlagen, steigen wir ins Auto. Die Amerikaner fahren direkt in die Tornados herein. Sie wollen Action!“, sagt Tobias Mieseler und erinnert daran, dass im vergangenen Jahr der berühmte Sturmjäger und Wissenschaftler Tim Samaras mit seinem Sohn Paul in einem Wirbelsturm in Oklahoma ums Leben kamen. Seine letzten Worte über Twitter waren: „Passt auf das Wetter auf!“
Als Kind hatte er vor Gewitter Angst
Als kleines Kind hatte Tobias Mieseler vor Gewittern große Angst. Später schenkte ihm sein Vater zu Weihnachten eine Wetterstation, mit der er Temperatur, Luftdruck und Feuchtigkeit messen konnte. So fing alles an. Inzwischen ist er einer von 14 Stormchasern im Ruhrgebiet, hat beim Netzwerk Skywarn eine Prüfung absolviert, die ihn als „advanced spotter“, als Aufklärer berechtigt, Wettermeldungen abzusetzen. Der deutsche Wetterdienst schätzt diese halbprofessionellen Wetterbeobachter. „Wir könnten Tausende Spotter gebrauchen“, sagt DWD-Sprecher Andreas Friedrich.
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Selten waren die Stormchaser so viel unterwegs wie in diesem Jahr, machten sie Kilometer um Kilometer auf ihrer Jagd nach Wind und Wolken, nach Clustern, also deren Anhäufungen, nach Multizellen, die sich immer wieder aus sich selbst raus entwickeln. Auch das Unwetter über Münster Anfang August wurde durch eine Multizelle ausgelöst. Phänomene, die ihre eigene Faszination haben. „Blitze bei Nacht sind großartig“, sagt auch Ricardo Zelisko und:, „Alles hat seinen Reiz. Alles, bis auf die Schäden, die angerichtet werden“.
Er will das Abitur nachholen, um Meteorologie zu studieren
Tobias Mieseler hat beschlossen, sein Abitur nachzuholen, um Meteorologie zu studieren. Das Wetter lässt ihn nicht mehr los, keine Frage. Kürzlich sprach ihn einer der Landwirte an, als er wieder einmal auf diesem Feld am Rande Dortmunds stand. Was er denn da treibe, wollte der wissen. Und so kam man ins Gespräch, quasi von Wetterexperte zu Wetterexperte. Am Ende zeigte der Landwirt über die Felder Richtung Dortmunder Flughafen und erklärte Tobias seine ganz persönliche Bauernregel: Wenn man hinten, am Horizont die Bäume nicht mehr sehen könne, dann gebe es kein Gewitter!