Essen. Seit 20 Jahren helfen deutsche Polizisten in Krisengebieten auf der ganzen Welt. Drei Helfer aus NRW berichten von Uniformen unter Burkas und Streifen in Flüchtlingscamps in Darfur — und erzählen, was Polizisten in den krisengeschüttelten Regionen der Welt bewirken können.
Nachts ist der Sudan schwärzer als das Sauerland. Im ersten Moment hat sich Polizeioberrat Meinolf Schlotmann deshalb erschreckt, als im Dunkel des Flüchtlingscamps von Darfur plötzlich Jubel losbrach. Im zweiten war er stolz: „Solange Sie hier Streife fahren“, sagte ihm der Lagerleiter später, „sind wir sicher.“ So hat der Mann aus dem Märkischen Kreis gelernt: „Man kann nicht die Welt retten“ als deutscher Polizist im Auslandseinsatz. Aber helfen.
Nun liegt es im Wesen der Politik, die Dinge höher aufzuhängen, aber NRW-Innenminister Ralf Jäger meint dasselbe: „Der Einsatz im Ausland trägt dazu bei, Frieden zu schaffen und Menschenrechte zu wahren.“ 9000 deutsche Polizisten waren dazu in den vergangenen 20 Jahren in 30 Missionen unterwegs, haben angepackt bei Aufbau und Ausbildung von Polizeiapparaten, von rechtsstaatlichen Strukturen auf dem Balkan, in Afghanistan, neuerdings in Afrika. In Zeiten von internationalem Terrorismus und organisierter Kriminalität müsse man „Sicherheit global denken“, sagt Jäger – allein seine Landespolizei hat derzeit rund 40 Beamte an die Krisenherde mehrerer Kontinente entsandt.
Meinolf Schlotmann, 50, gehört zu den „Wiederverwendern“ unter ihnen, den sicher zwei Dritteln, die es einmal und dann immer wieder fortzieht. Kosovo, Afghanistan, Sudan, im November geht es nach Mali. Sie brauchen dort Leute wie ihn – „nicht den Prototyp des deutschen Beamten“ aus einer Karikatur –, recht eigentlich den klassischen Entwicklungshelfer. Typen, die improvisieren können, flexibel sind und auch ein wenig neugierig: „Jedes Ding ist noch mal ganz anders.“
Häftlinge schlägt man nicht
In den Kosovo gingen vor allem Europäer, und sie gingen bewaffnet: Es gab dort überhaupt keine Polizei mehr. In Afghanistan bilden die Deutschen aus, in einem internationalen Umfeld. Afrika, sagt Schlotmann, sei schon wieder neu, da schulen sie angehende Kollegen in Menschenrechten. Manchen müssen sie erklären, dass man Häftlinge nicht schlägt, ihnen gut zu essen gibt. „Wir sprechen hier nicht über Urlaubsgebiete“, erklärt Kollege Thomas Urny.
Den Hauptkommissar mit Dienststelle in Duisburg reizte einst der „Blick über den Tellerrand“, und es gefällt ihm bis heute „das Gefühl, dass das, was wir in Deutschland gelernt haben, dort anbringen dürfen, wo es mit offenen Armen aufgenommen wird“. Auch Urny war im Kosovo und in Afghanistan, hat Leuten „Polizei beigebracht“, die vielleicht nie eine Ausbildung genossen hatten. Eine „extraordinäre Sache“, sagt der 52-Jährige, der auch ein gerüttelt Maß eigener Weltläufigkeit mitgebracht hat: Die internationale Zusammengehörigkeit sei „extrem“. Und, auch das ist eine Erfahrung, „die Reputation der Deutschen im Ausland ist nicht so schlecht“.
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Die sind im Rahmen von EU- oder UN-Missionen auch in Bosnien gewesen, in Albanien, in Mazedonien, sind aktuell in Liberia, Somalia, auch in der Ukraine. Die Einsätze sind mehr geworden, schwieriger auch, sagt der zuständige Dezernatsleiter Achim Raupach, manche Länder beobachten Polizei, Bundeswehr und Auswärtiges Amt in täglicher Analyse. In Mali, sagt Raupach, sei nicht einmal Wasser selbstverständlich, in den Sudan habe man kürzlich Lebensmittelpakete schicken müssen, um die eigenen Leute zu versorgen. Durch Waffen umgekommen ist in den offiziellen Missionen in zwei Jahrzehnten kein deutscher Polizist. Aber schon wegen einer gewissen „diffusen Gefahr“ im Krisengebiet ist der Gang über die Grenze immer ein freiwilliger – wenn auch gut bezahlt: In Polizeikreisen spricht man vom „zweiten Gehalt“.
Die Uniform unter der Burka
Doch ist die Motivation eine menschliche. „Man bekommt so viel zurück“, sagt Kristina Spitz, die für ein Jahr Oberhausen tauschte mit Masar-i-Sharif. Die 33-jährige Kriminaloberkommissarin arbeitete vor Ort mit Frauen, die zur Polizei kamen „durchweg aus einer existenziellen Notsituation“. Die die Uniform außerhalb der Kaserne unter der Burka versteckten, damit kein islamischer Sittenwächter sie als berufstätig erkannte. „Es gibt viele junge Leute in Afghanistan“, sagt auch Kollege Urny, „die zur Polizei gehen, um Geld für ihre Familien zu verdienen.“
Ihr Auslandseinsatz hat viele Polizisten Demut gelehrt und Dankbarkeit: für Strom, der nicht ausfällt, für zuverlässiges Licht, für „Wiesen“, sagt Meinolf Schlotmann, „auf denen keine Minen liegen“. Und es kommt vor, dass der Polizist, wenn er mal Dienst tut in Iserlohn, nun Lob erntet, manchmal auch Unglauben: für seine neue „sudanesische Tiefenentspanntheit“.