Gelsenkirchen. . Priester sollten dorthin gehen, wo andere auf das Evangelium warten, fordert Papst Franziskus. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck folgte dem Rat des Kirchenoberhaupts und besuchte am Montag die JVA Gelsenkirchen. Ein Termin zwischen Smalltalk, Neugier und Nudeln mit Putenfleisch.

Papst Franziskus hat es vorgemacht und erregte Aufsehen, als er, sich bückend, zwölf jungen Insassen in einem römischen Jugendgefängnis die Füße wusch. Statt sich nur um ihre Gemeinde zu kümmern, riet er, müssten die Priester vielmehr dorthin gehen, wo andere auf das Evangelium warteten. Gestern tat Essens Bischof Franz-Josef Overbeck genau das. Er besuchte die Justizvollzugsanstalt in Gelsenkirchen, sah sich deren Musterzelle an, die Bibliothek und die Sporthalle sowie Arbeitsplätze der Inhaftierten in der Schlosserei.

Mageda*, der jungen Libanesin, ist die Aufregung tatsächlich anzusehen. Bis eben noch hat sie in der Sporthalle der JVA mit einer Handvoll anderer Frauen Bauch, Beine, Po trainiert, und plötzlich tritt ein deutscher Bischof auf sie zu, um ihr die Hand zu schütteln. Ein bisschen Smalltalk, nicht mehr, ein „Guten Tag“ und „gute Erholung!“, dann ist er schon wieder fort.

Unterwegs im Pulk aus Journalisten und Mitarbeitern

Seit etwas mehr als einem Jahr sitzt die 30-Jährige in Haft, Weihnachten, hofft sie, wieder in Freiheit zu sein. Bei ihren drei Kindern. “Bei uns im Libanon herrscht Krieg. Ich habe Fehler gemacht. Diebstahl. Deshalb bin ich hier.“ Doch das hört der Bischof längst nicht mehr, in Begleitung von Justizminister Thomas Kutschaty und JVA-Leiter Carsten Heim, in einem großen Pulk von Mitarbeitern und Journalisten, ist er wieder unterwegs, zum nächsten Ort der Besichtigung.

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1998, als die Gefängnisse noch voller waren als heute, wurde die JVA Gelsenkirchen auf der Basis eines Architekten-Wettbewerbs errichtet. Sie ist eine von zweien in Nordrhein-Westfalen, die Männer und Frauen aufnimmt. Eine Rarität also. Ein im Rund gebauter Gebäudekomplex, vierstöckig, in dem sich die Zellen der Frauen und der Männer vis à vis gegenüber liegen. „Sobald es dunkel ist, schicken sich die Männer und Frauen aus ihren Zellen Botschaften. Sie ‘faxen’ oder ‘tackern’, wie sie es nennen, sie malen mit ihren Schreibtischlampen Buchstaben in die Luft“, erzählt Carsten Heim.

Ein Gefängnispfarrer fehlt

Vorbei an dem Sportplatz, der zur Zeit etwas desolat wirkt, nicht genutzt wird, aber demnächst erneuert werden soll. Vorbei an Zellen, an vergitterten Fenstern aus denen Häftlinge neugierig die Besucher beobachten. Von der Sporthalle geht’s ins Obergeschoss, wo es jeweils einen Kirchenraum für weibliche und für männliche Gefangene gibt.

Zwei Seelsorger betreuen die Gefangenen zur Zeit, einen Gefängnispfarrer jedoch gibt es bereits seit März nicht. Auch das erfährt der Bischof bei dieser Gelegenheit, verspricht, sich zu kümmern. Einigen der Gefangenen, so Seelsorger Martin Schmitz, fehle tatsächlich die Möglichkeit zu beichten und zur Kommunion zu gehen. Manchmal gebe es im Gefängnis sogar Taufen.

Häftlingsessen auch für den Bischof

Bischof Overbeck hört zu, besichtigt die Werkstätten, wird informiert, dass in der Schlosserei vor allem Aufträge für die Deutsche Post erledigt werden. Dass es Häftlinge gibt, die in Arbeitstherapien erst einmal wieder an regelmäßige Arbeit gewöhnt werden müssen. „Ich möchte wissen, wie Häftlinge leben, warum sie im Gefängnis sind und was die Seelsorge für Menschen in dieser besonderen Lebenslage tun kann“, erklärt Bischof Franz-Josef Overbeck.

Als der öffentliche Teil des Besuchs beendet ist, als die Journalisten die JVA Gelsenkirchen verlassen haben, setzt man sich zum Mittagessen zusammen. Nudeln mit Putenfleisch. Das Gericht, das es an diesem Tag in jeder Zelle gibt. Erst danach trifft sich der Bischof mit einigen Häftlingen zum persönlichen Gespräch. Mit ihnen, aber auch mit dem Personalrat des Gefängnisses. Gespräche sind das, die persönlich, die privat bleiben sollen. Es ist bereits der zweite Besuch Overbecks in Gefängnissen seines Bistums. Weitere, in Bochum und Duisburg sollen folgen.

*Name geändert