Bochum. . 48 Millionen Euro für Forschungsgebäude in Bochum

Bestrahlen, verbrennen, vergiften oder herausschneiden – das sind die derzeit üblichen Methoden, einen Krebstumor zu bekämpfen. Gegen diese vergleichsweise brachiale Methode haben Wissenschaftler eine Vision entwickelt, die deutlich eleganter erscheint: Sie wollen den Krebs dort bekämpfen, wo er entsteht: In einer fehlgesteuerten Körperzelle.

Aber dafür müssen diese Zellen zuerst einmal entdeckt werden. An der frühen Diagnose veränderter Zellen arbeiten Bochumer Wissenschaftler und Ärzte in dem Forschungsverbund PURE, der an der Ruhr-Universität Bochum angesiedelt ist. Sie suchen Antworten auf die Frage: Wie kann man krankheitsauslösende Prozesse in der Zelle anhand von Proteinenveränderungen erkennen?

Klar ist, Proteine steuern sämtliche Lebensprozesse, sie bestimmen auch Wachstum und Teilung von Zellen. Deshalb sind sie von höchstem Interesse für die Forschung und die Pharmaindustrie. Denn wenn man weiß, wie Proteine arbeiten, wie sie zusammenspielen und welche Vorgänge sie steuern, kann man auch Veränderungen durch Krankheiten frühzeitig erkennen und gezielt eingreifen.

48 Millionen Euro von Land und Bund

„Wir können heute schon mithilfe moderner bildgebender Verfahren sehr genau Veränderungen im Gewebe erkennen“, sagt der Bochumer Biophysiker und Sprecher von PURE, Prof. Klaus Gerwert. „Doch zwischen den Erkenntnissen der Grundlagenforschung und der Anwendung in der Klinik klafft noch ein riesiger Graben. Jetzt wollen wir unser Wissen in die klinische Anwendung bringen und diesen Graben überbrücken.“

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Land und Bund haben den Forschern um Gerwert dafür jetzt 48 Millionen Euro zugesprochen. Ein großer Erfolg und Anerkennung für die bisher geleistete Arbeit. Das Geld soll in den Bau und die Einrichtung eines neuen Forschungsgebäudes fließen, das als Brücke von der Ruhr-Uni zum Gesundheitscampus gedacht ist und auf den Namen „ProDi“ getauft wurde – das steht für „molekulare Protein-Diagnostik“. Gerwert: „Das ist ein Super-Erfolg für uns. Wir haben uns in einem harten, bundesweiten Wettbewerb durchgesetzt.“ Die Experten des Wissenschaftsrates, die zuvor sämtliche Anträge begutachtet haben, waren von den Bochumer Plänen rundweg begeistert. Es sei „absehbar, dass das Vorhaben bei Erfolg von überragender Bedeutung für den Wissenschaftsstandort Deutschland sein wird“, heißt es in der Förderempfehlung des Wissenschaftsrats. Diesem Votum schloss sich die Politik an. Das erfolgverwöhnte Bayern ging diesmal leer aus.

Spitzenforschung im Ruhrgebiet

Was für Deutschland bedeutend sein wird, ist es erst recht für Bochum und das Ruhrgebiet. „ProDi“ wird als Leuchtturm auf dem Gesundheitscampus dazu beitragen, Forscher, Nachwuchswissenschaftler und Biotechnologie-Firmen anzuziehen, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und Bochum als Standort medizinischer Spitzenforschung zu etablieren, ist Gerwert überzeugt.

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Doch was genau soll in dem Neubau geforscht werden? „Wir wollen Krankheiten möglichst früh erkennen, noch bevor sich Symptome zeigen, um eine präzise Diagnose für gezielte Therapien zu liefern“, erklärt Gerwert. Speziell geht es um Krebs sowie neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson, die durch „defekte“ Proteine ausgelöst werden. Dabei kann ein einziges, etwa falsch gefaltetes Protein eine schwere Erkrankung verursachen. Diese „defekten“ Proteine dienen den Wissenschaftlern als Beweise, als „Biomarker“, um Krankheiten wie Blasen-, Lungen- und Darmkrebs oder Alzheimer früher als bisher zu erkennen. In einer alternden Gesellschaft wird dies immens wichtig.

So wie jeder Mensch einen einzigartigen Fingerabdruck hat, gibt es auch für jede Erkrankung ein typisches Proteinprofil, das die Bochumer mit modernen Analyseverfahren bestimmen können. Dazu wird im ersten Schritt eine Gewebeprobe entnommen, in Zukunft soll ein Tropfen Blut genügen, um anhand der Biomarker Krankheiten zu entdecken. „Wir arbeiten mit Lichtstrahlen“, sagt Gerwert. „Daher können wir in Zukunft auch mit Endoskopen am Patienten arbeiten und direkt im Körper sehen, ob ein Tumor vorliegt.“

Der Vorteil ist klar: Erkennt man die Krankheit früher, kann der Patient schonender und erfolgreicher behandelt werden – bestrahlen oder schneiden wird dann nicht mehr so häufig nötig sein.