Dortmund. . Ein Mord, von dem die Ermittler jahrelang nichts ahnten: Vor dem Landgericht Dortmund muss sich seit Dienstag eine 54-Jährige verantworten, weil sie am 8. März 2011 ihre 84 Jahre alte Nachbarin mit einem Kissen erstickt haben soll. Deren Tod war lange als natürlich eingestuft worden.
Eine Frau als brutale Mörderin. So sieht Staatsanwalt Jörg Schulte-Göbel die Rolle der 54 Jahre alten Dortmunderin Doris S. Vor dem Dortmunder Schwurgericht wirft er ihr vor, ihre 84 Jahre alte Nachbarin mit einem Kissen erstickt zu haben. Mit der EC-Karte der Seniorin soll sie dann 33.830 Euro von Geldautomaten in der Stadt abgeholt haben.
Der Prozessauftakt ist am Dienstag kurzzeitig gefährdet. Nachdem Doris S. den Saal betreten hat, lässt sie sich auch schon wieder zurückbringen. Es gehe ihr schlecht, sagt Verteidiger Dieter Kaufmann. Tatsächlich hat sie Fieber, so dass es nur zur Verlesung der Anklage kommt. „Am Prozess liegt es nicht“, teilt Psychiater Bernd Roggenwallner dem Schwurgericht mit, nachdem er die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten überprüft hat, denn „diese Situation kennt sie ja“.
Tatsächlich ist die schlanke Frau mit den fast weißen kurz geschnittenen Haaren der Justiz keine Unbekannte. In der kommenden Woche, am 1. April, soll sie wieder vor Gericht stehen, weil sie ihrer Nichte und deren Freunden geholfen haben soll, eine Spielhalle in Dortmund-Aplerbeck auszurauben.
Und im Herbst vergangenen Jahres verurteilte eine andere Kammer des Landgerichts sie zu vier Jahren Haft, weil sie mit einer Komplizin eine 90 Jahre alte Nachbarin brutal überfallen haben soll. Diese Tat hatte sie zwar gestanden, rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.
Auch 90-Jährige überfallen
Trotzdem lässt sich daraus fast eine Parallele zu dem aktuellen Mordfall ablesen. Doris S. soll im Sommer 2011 gemeinsam mit einer 30 Jahre alten Freundin über Geldprobleme geklagt haben. Spielsucht, Mietschulden nannten sie im Prozess als Motiv. Als Lösung ihrer Probleme geriet damals eine 90 Jahre alte Nachbarin in ihren Blick, die sie oft im Hof beobachteten. Am 29. Juni 2011 schellten sie an der Tür der Seniorin, baten um eine Unterschrift für eine Initiative, die sich für den Bau seniorengerechter Wohnungen stark machte. Arglos ließ die alte Dame sie ein.
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Nur knapp überlebte sie, was dann geschah. Die 90-Jährige wurde ins Wohnzimmer gezerrt, auf dem Boden fixiert. Möglicherweise schlugen die Täterinnen sie, zogen ihr eine Plastiktüte über den Kopf. Kurze Zeit verlor sie das Bewusstsein. „Die Situation ist völlig eskaliert“, bedauerte die Mitangeklagte von Doris S. gegenüber dem Gericht, zeigte Reue. Sie war es auch, die im Herbst 2013 ein Geständnis ablegte, in dem sie Doris S. plötzlich als Mörderin belastete.
Denn vier Monate vor dem Überfall auf die 90-Jährige habe Doris S. bereits eine andere Seniorin überfallen und mit einem Kissen erstickt, erzählte sie in Vernehmungen. Ein Mord, von dem die Ermittler noch gar nichts ahnten. Der Tod der kranken Rentnerin war im März 2011 als natürlich eingestuft worden, die Leiche zur Einäscherung freigegeben. Die Beweislage in diesem Fall wird nicht einfach sein. Lediglich eine Verletzung an der Hand der Toten war damals dokumentiert worden, heißt es in Ermittlerkreisen.
In die Wohnung begleitet
Laut Anklage hatte Doris S. ihr späteres Mordopfer, die 84-Jährige aus Dortmund-Schüren, am 8. März 2011 in deren Wohnung in einem Mehrfamilienhaus begleitet. Sie soll bereits geplant haben, Bargeld zu stehlen. In der Wohnung soll es zum Streit gekommen sein. Doris S. soll ihrem Opfer ein Kissen auf Mund und Nase gedrückt haben. So lange, bis die Frau starb. Mit zwei anderen Frauen, darunter ihre 34 Jahre alte Nichte, soll sie an den folgenden 20 Tagen an Geldautomaten Beträge in Höhe von etwa tausend Euro abgehoben haben; insgesamt 33.830 Euro.
„Heute geht es nicht“, antwortet Doris S. am Dienstag auf die Frage von Richter Wolfgang Meyer, ob sie zum Mordvorwurf aussagen wolle. Aber am nächsten Prozesstag wolle sie sich äußern und natürlich auch Fragen beantworten.
Mit dem Mord an der alten Dame will die Angeklagte nichts zu tun haben. Diese Tat werde sie bestreiten, betonen ihre Verteidiger am Rande des Prozesses. Anders gelagert ist das Geldabheben mit der EC-Karte samt PIN-Nummer des Opfers. Beides sei außerhalb der Wohnung gefunden worden, wird die Angeklagte wohl sagen.