Bottrop/Ruhrgebiet. . Diebstahl bei der Tafel in Bottrop: Der Fall löste eine heftige Debatte aus. Denn er trifft einen wunden Punkt. Die Vertrauenswürdigkeit karitativer Einrichtungen steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit ihrer Mitarbeiter. Was also ist bei Tafel erlaubt – und was ist tabu?

Es gibt wenig Schlimmeres für wohltätige Vereine: Mitarbeiter stehlen Spenden, und es wird öffentlich. Bei der Bottroper Tafel hat es immerhin zwei Jahre gedauert, bis solch ein Fall nun bekannt wurde.

Gespendete Lebensmittel sollen an einen Gastronomen weitergegeben worden sein, der im Gegenzug Mitarbeiter und Helfer zum Essen eingeladen hat. Außerdem sollen sich Helfer und 1,50-Euro-Kräfte die besten Lebensmittel gesichert haben, bevor sie verteilt wurden.

Intern soll die Angelegenheit zwar schon 2011 mit dem Rausschmiss der Betreffenden geregelt worden sein, doch der Konflikt schwelte weiter. Denn nun trat der Beirat geschlossen zurück, ein honoriges Gremium, das den Vorstand vor allem beraten (aber nicht unbedingt beaufsichtigen) soll.

Der ehemalige Oberbürgermeister Peter Noetzel ist etwa Mitglied, ebenso wie ein Rechtsanwalt, ein Schulleiter und zwei Bankenvorstände. Ihnen geht es offenbar weniger um den Einzelfall und mehr um Strukturen. So sollen auch angestellte 1,50-Euro-Kräfte Mitglied im Trägerverein der Tafel gewesen sein und somit abstimmungsberechtigt über ihren eigenen Arbeitsplatz. Kurz: Es fehlte die Kontrolle.

Bottroper Tafel-Führung unter Druck

Dass Lebensmittel bis 2011 in der Gastronomie gelandet sind, räumt Friedhelm von Oepen, Vorsitzender der Tafel, ein. Es seien allerdings Lebensmittel gewesen, die sonst hätten vernichtet werden müssen.

„Ich selbst und Helfer der Tafel sind an der Müllkippe beschimpft worden.“ Danach sei man zu dieser Lösung gekommen. „Wir reden hier von Stoßzeiten zu Feiertagen, wenn wir besonders viel von den Supermärkten bekommen haben.“ Die bestehen üblicherweise darauf, dass die Tafel alle Lebensmittel mitnehme, „sonst hätten wir nicht wiederkommen dürfen“. Dass sich Helfer Lebensmittel gesichert haben, nennt von Oepen dagegen „Diebstahl“.

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Der Beirat schätzt das Problem offenbar größer ein. Hinter den Kulissen, soviel ist klar, haben die Honoratioren lange versucht, den Vorstand zu Änderungen zu bewegen. Am Ende war offenbar das Vertrauen massiv gestört. Der Rücktritt habe ihn jedoch vollkommen überrascht, sagt Friedhelm von Oepen. Man habe ja schon begonnen, die Strukturen zu verändern. So seien auf den Fahrzeugen der Tafel keine festen Teams mehr unterwegs. Damit verbunden ist die Hoffnung, die Diebstähle einzudämmen.

Natürlich, das zeigt der Blick in andere Städte, ist die Kontrolle bei Tafelvereinen generell schwierig. „Wir werden beliefert von 15 bis 20 Läden, die ihre Sachen loswerden und keinen großen Verwaltungsaufwand betreiben wollen“, erklärt Günter Spikofski, Geschäftsführer der Duisburger Tafel. Es gibt also keine Übergabelisten.

Man weiß nur, da kommen fünf Paletten mit Süßigkeiten. „Wenn dann zehn Tafeln Schokolade fehlen, merken wir das nicht automatisch. Wir sind darauf angewiesen, dass es uns jemand sagt. Man kann nur Vorsorge betreiben, indem man gute Ehrenamtliche aussucht und weiterbildet, denen man vertrauen kann.“

Auch in Duisburg gibt es Spitzen, in denen die Tafel mehr abgelaufene oder nur noch kurz haltbare Lebensmittel bekommt, als sie verteilen kann. Dann dürfen sich Helfer auch am Überschuss bedienen. „Es käme aber nicht infrage, dass wir Gastronomen beliefern.“

Nur wenige Helfer nehmen sich Lebensmittel, obwohl sie dürften

Ansonsten gilt in Duisburg wie auch in Essen die Regel, dass sich Ehrenamtliche in gleicher Menge und Qualität Lebensmittel nehmen dürfen wie Kunden. Schließlich bekommen sie (abgesehen von den Fahrtkosten) kein Geld für ihre Arbeit. „Wir haben Richtlinien dafür festgelegt“, sagt Jörg Sartor, Tafel-Vorsitzender aus Essen. „Aber nur rund die Hälfte unserer 120 Helfer nimmt mal was mit.“

Alles darüber hinaus gilt als Diebstahl. Und wenn es vorkommt – wie auch in Duisburg und Essen schon geschehen –, trennen sich die Tafeln natürlich gleich von den Helfern. Was sich darüber hinaus in Bottrop ändern wird, soll Mitte Januar ein Gespräch zwischen Vorstand und Beirat beim Sozialdezernenten klären.