Essen. . Ein 52-Jähriger muss sich wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Essen verantworten. Der Gelsenkirchener hatte nach eigenem Geständnis auf seine Partnerin 19 Mal eingestochen – vor den Augen ihrer beiden Kinder.

Gradlinig. Ein Mann mit Grundsätzen, dem Gewalt fremd ist. So präsentiert sich am Donnerstag der Gelsenkirchener Ingo G. (52) vor dem Essener Schwurgericht. Von versuchtem Totschlag spricht die Anklage, die aber das Bild eines Gewalttäters zeichnet: Vor den Augen einer Vierjährigen und ihres 15 Jahre alten Bruders stach er 19-mal auf ihre Mutter ein. Nur eine Notoperation rettete das Leben der 37-Jährigen.

Eifersucht deutet Staatsanwältin Elke Hinterberg als Motiv der Tat an. Streit hatte es zwischen dem Paar aus dem Gelsenkirchener Stadtteil Heßler gegeben, weil sie nicht zu Hause war. „Sie hatte Zeit für andere, nicht für mich“, erzählt der Angeklagte. Damals, im Juli dieses Jahres, war sie abends bei ihrer Schwägerin. Per SMS forderte er sie zur Heimkehr auf. Aber sie kam erst spät zurück. Streit gab es.

Es wirkt wie ein Alltagskonflikt, weil nach außen nichts auf den blutigen Konflikt hinwies. Er kommt aus Schleswig-Holstein, hatte dort im eigenen Dreifamilienhaus mit Ehefrau und deren fünf Kindern gelebt. Im Schlachthof arbeitete er. Per Internet bekam er im Sommer 2011 Kontakt zu der Gelsenkirchenerin: „Wir haben uns geschrieben, waren uns sympathisch.“ Ende jenes Jahres zog er zu ihr, nachdem er bei ersten Treffen ihre Kinder kennen gelernt hatte: „Für mich war wichtig, dass alles passt.“ Arbeit fand er als Lkw-Fahrer.

"Geh’ zurück in den Norden"

Seiner Frau, die er verließ, hatte er die Trennung früh angekündigt: „Sie war erschüttert. Sie schrieb mir noch, dass ich ihr Traummann bin. Aber wir hatten uns auseinandergelebt.“ Eineinhalb Jahre später ist er derjenige, der verlassen wird. Die Gelsenkirchenerin lässt sich von ihm nicht reglementieren.

Als sie am 6. Juli erst nach Mitternacht von der Schwägerin zurück kommt, wird er aggressiv. Er wirft ein Handy nach ihr und trifft sie. Er schlägt sie. Wenn er davon erzählt, verfällt er immer wieder ins Weinen: „Ich habe noch nie die Hand erhoben, habe die Kinder ohne Schläge erzogen.“ Seine Lebensgefährtin reagiert sofort: „Sie legte mir mein Handy und 55 Euro auf den Küchentisch und sagte: ,Du bist der erste und letzte Mann, der mich schlägt. Geh’ zurück in den Norden.’“

Ingo G. rastet aus. Innerlich hat er wohl schon längst Bilanz gezogen, schreit sie an: „Du hast mein Leben zerstört, jetzt zerstöre ich deins.“ Er erläutert den Satz im Gericht: „Ich hatte im Norden alles aufgegeben. Und ich habe sie tierisch geliebt.“

Schlafzimmer aufgehebelt

Die 37-Jährige rettet sich ins Schlafzimmer, doch er holt ein Messer aus der Küchenschublade, hebelt die Schlafzimmertür aus. Dann sticht er zu. 19 Verletzungen zählt der Rechtsmediziner später.

Der 15-Jährige wird zum Retter seiner Mutter. Mit dem Handy alarmiert er die Polizei. Als die Beamten kommen, hat Ingo G. längst von seiner Freundin abgelassen. „Kümmert euch um sie“, sagt er zu ihnen, „sie stirbt.“ An die Messerstiche will Ingo G. sich nicht mehr erinnern können. Er habe erst wieder Bilder vor Augen, als „alles voller Blut war und sie auf dem Boden hockte“. Sie habe noch gesagt, dass sie ihn liebe. Er habe sie in den Arm genommen. Die 37-Jährige wurde zum Prozessauftakt noch nicht gehört.

Von Eifersucht als Motiv will der Angeklagte nichts wissen. Als die Polizei ihn im Juli fragte, ob er eifersüchtig sei, antwortete er knapp: „Sind wir das nicht alle?“