Wattenscheid. Selbst ihre eigenen Lehrkräfte halten die Hauptschule für nicht zukunftsfähig. Das hat eine Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) ergeben. Die WAZ sprach darüber mit Ute Herbstreit, Rektorin der Hauptschule Mitte in Wattenscheid.

Über die Zukunft der Hauptschulen hat die WAZ mit Ute Herbstreit, Rektorin der Hauptschule Mitte, gesprochen.

Frage: Der VBE prophezeit das Aus für die Hauptschulen nach der Landtagswahl und sieht in der Kritik der Lehrer am System Hauptschule einen „gesunden Realismus”. Glauben Sie an eine Zukunft der Hauptschulen?

Ute Herbstreit: Man muss zur Umfrage des VBE anmerken, dass sie sich nur auf die Stimmen von fünf Prozent aller Hauptschullehrer stützen kann. Ich habe den Fragebogen zum Beispiel nicht zurückgeschickt. Ich bin überzeugte Hauptschullehrerin und der Meinung, dass wir für unsere Schüler die richtige Schulform sind. Es gibt keine andere Schulform, in der so individuell gefördert wird, in der integrative Lerngruppen und gemeinsamer Unterricht von Klasse fünf bis acht angeboten werden und in der Berufsorientierung so im Vordergrund steht wie bei uns. Die Hauptschule war die erste Schulform, die sich intensiv mit der Berufswahl beschäftigt hat.

Trotzdem haben es gerade Hauptschüler beim Übergang von der Schule in den Beruf schwer.

Herbstreit: Ja, Hauptschule hat leider dieses Stigma, das ist nicht wegzukriegen. Das ist schade. Ich sehe auch, dass eine Schulstrukturreform kommen wird – ich bin ja kein Traumtänzer. Nur: Die Kinder, die wir haben, die kann man ja nicht wegdiskutieren. Und ich wage doch sehr zu bezweifeln, ob sie in einem großen System wie eine Gemeinschaftsschule zurecht kommen. Was mich ärgert, wenn von einer Schule für alle gesprochen wird, ist die Sprachregelung. Da heißt es immer: Die Hauptschule ist über. Aber wir sind keine Restschule. Wir haben Kinder, die in anderen Systemen vielleicht nicht so gut zurechtkommen, aber aufgrund der persönlichen Ansprache bei uns den Schulabschluss und den Übergang in den Beruf schaffen. Dazu dient ja auch die Qualitätsoffensive Hauptschule der Landesregierung.

Laut VBE ist diese Qualitätsoffensive gescheitert. Hat sie Ihrer Meinung nach etwas gebracht?

Herbstreit: Ich finde es beispielsweise ganz ordentlich, dass wir jetzt vergleichbare Prüfungen wie Real- und Gesamtschulen machen, und dass unsere Schüler bei diesen teil-zentralen Prüfungen in den Hauptfächern gut abschneiden. Auch die Berufsorientierung ist ein Teil der Offensive. Das alles hilft, aber es wirkt natürlich nicht sofort. Die Hauptschule war jahrelang eine Schulform, für die wenig getan wurde – auch nicht von Seiten des VBE oder der GEW. Deshalb ist es enorm von der Stadt Bochum, dass sie in unseren Neubau investiert und die Hauptschule fördert. Auch der Ganztag mit geregeltem Mittagessen und Nachmittagsgestaltung ist für unsere Schüler sehr positiv – alles Dinge, die die Qualitätsoffensive gebracht hat. Aber so etwas braucht Zeit. Man kann nicht in vier Jahren die ganze Welt umkrempeln.

Abkehr vom gegliederten Schulsystem

Als gewerkschaftliche Organisation für Lehrer an Haupt-, Grund-, Gesamt- und Förderschulen vertritt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) die bildungspolitischen Interessen dieser Berufsgruppen.

Der VBE setzt sich für eine so genannte „Starterklasse” für Fünfjährige sowie für eine Abkehr vom gegliederten Schulsystem hin zu einer Gemeinschaftsschule, der „Allgemeinen Sekundarschule” ein, die im Ganztagsbetrieb geführt werden soll.

Der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann behauptet, ein anregungsreiches Lernmilieu könne an Hauptschulen nicht entstehen, weil Kinder aus Problemfamilien dort den ganzen Tag mit Kindern zusammen seien, die ebenfalls aus Problemfamilien kommen.

Herbstreit: Es gibt auch andere Schulformen in sozialen Brennpunkten, die ihre Schwierigkeiten haben. Wir haben bei uns Kinder, die gerne lernen, und Kinder, die nicht so gerne lernen. Es gibt hier auch sehr aktive Eltern, die sich um das Wohl ihrer Kinder kümmern. Es sammeln sich nicht alle Problemkinder an den Hauptschulen. Dieses Gerede ist der Hauptschule überhaupt nicht zuträglich. Damit wird eine ganze Schulform kaputt geredet. Unser Ansehen in der Öffentlichkeit ist das eigentliche Problem – und das wird durch solche Äußerungen leider immer schlechter.