Wattenscheid. In der vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) angestoßenen Diskussion um die Zukunftsfähigkeit von Hauptschulen meldet sich die ehemalige schulpolitische Sprecherin der CDU, Ingrid Borchert, zu Wort.

Was stört Sie besonders an der VBE-Kritik?

Ingrid Borchert: Der VBE zeichnet generell ein düsteres Bild von den Hauptschulen in unserem Land und geht sogar so weit, die „Qualitätsoffensive Hauptschule” der Landesregierung bereits als gescheitert zu erklären. Bei dieser Qualitätsoffensive werden die Hauptschulen unter anderem in „echte” Ganztagsschulen mit dreißig Prozent zusätzlichen Lehrern umgewandelt, um sie zu stärken. Dem vorschnellen Urteil des Scheiterns muss ich als langjährige Schulpolitikerin ganz entschieden widersprechen.

Aus welchen Gründen?

Borchert: Die Kritik an dieser Qualitätsoffensive kommt einfach verfrüht. Die Schulform Hauptschule ist Jahrzehnte lang vernachlässigt und schlecht geredet worden. Dagegen haben sich weder der VBE noch die GEW aufgelehnt. Die erst vor vier Jahren angelaufene Reform benötigt meines Erachtens mindestens zehn Jahre, um den Sündenfall der Vergangenheit bereinigen zu können. Es ist ungehörig, Politik auf dem Rücken der Kinder auszutragen – denn sie sind letztlich die Leidtragenden.

Was schätzen Sie an der Schulform Hauptschule?

Borchert: Speziell die Hauptschule Wattenscheid Mitte bietet unter der Schulleitung von Frau Herbstreit und einem hoch motivierten Lehrerkollegium eine Menge sehr guter Angebote zur Förderung der Kinder und Jugendlichen sowie zur Berufsorientierung an. Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt und mit den Unternehmen vor Ort steigt auch die Zahl der Hauptschüler, die nach dem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz erhalten. Leider sind es immer noch zu wenige und weitere werden gesucht. Durch den Neubau gewinnt die Schule zunehmend an Attraktivität.

Viele Schulpolitiker fordern seit langem die Abkehr vom gegliederten Schulsystem und eine Schule für alle. Wäre das für Sie auch eine Alternative?

Borchert: Nein, weil solche Systeme für diese Schülerklientel zu groß sind. In Bochum sind bereits vor Jahren auf Initiative der CDU die Hauptschulen aus den meisten großen Schulzentren herausgelöst worden. In diesen kleineren Einheiten kann individuell viel besser auf die Schülerschaft eingegangen werden. Die Schüler bleiben auch in einer anderen Schulform dieselben. Aber sie blieben dort ohne Rückhalt zurück – und das kann niemand wirklich wollen.