Ruhrgebiet. . Der Strukturwandel im Ruhrgebiet schreitet voran. Institute, Firmen und Universitäten setzen auf die Energiewende. Das Fraunhofer-Institut forscht, wie Solarzellen besser werden können. Das Gas- und Wärmeinstitut baut kleine Kraftwerke in Häuser der “Innovation City“ Bottrop. Viele sehen das Ruhrgebiet als Energieregion Nummer 1.
Das dürfte das einzige Fraunhofer-Institut der Welt sein, dessen Eingang dominiert wird von einer großen und recht albern wirkenden Reklame: „Fahrlehrer-Fachschule Edi“ erdet die innovative Vorfreude schon stark; aber es ist halt so, dass mehrere Einrichtungen sich diesen Bau teilen, die alte Flachglas-Verwaltung in Gelsenkirchen. Fraunhofer ist davon eine, 20 Menschen forschen hier, wie der Wirkungsgrad von Silizium-Solarzellen erhöht werden kann. Für andere Stockwerke werden noch Mieter gesucht.
Gelsenkirchen: einmal Solarhauptstadt und zurück
„Sie sehen, hier ist noch eine Menge Platz“, sagt der Ingenieur Dietmar Borchert, der Leiter – manche Räume des Instituts betritt man nur im Schutzanzug, aber die meisten sehen auch nicht viel anders aus als ambitioniertere Physiksäle. Borchert hat das ganze Auf und Ab seit 1999 erlebt: Wie die Solarhauptstadt Gelsenkirchen ausgerufen wurde vom hyperaktiven Berufsausrufer Wolfgang Clement, wie die Firmen kamen, wie die Firmen wieder gingen, wie der Herstellermarkt heute dominiert wird von China.
Ihre Forschungsergebnisse, hofft Borchert, würden nicht abwandern; mit hocheffizienten Zellen könne die deutsche Industrie neu antreten. Wirkungsgrade nicht mehr von 17 oder 18, sondern von über 20 Prozent – „eines Tages“. 18? Auf 20? Was auf einen Schlag erhellt, dass die riesenhafte Energiewende nur mit vieler Leute kleiner Eingriffe vorangeht.
Und das Ruhrgebiet bastelt daran. Denn Energie ist seine Herkunft und seine Kernkompetenz. Wenn Landes-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) sagt, „wir haben Nordrhein-Westfalen als das Forschungsland für die Energiewende in Deutschland etabliert“, ist das erstmal nur politische Propaganda. Aber dass die Energieriesen hier sitzen, dazu Unis und Institute und Ingenieurbüros, ist die Wahrheit. „Da ist der Standort Ruhrgebiet ein Vorteil. Das ist die Energieregion Nummer 1“, sagt Rolf Albus, der geschäftsführende Vorstand des „Gas- und Wärmeinstituts Essen (GWI)“.
Erdgasbetriebene Espressomaschine
Im Norden der Stadt liegt das Institut, zugeparkt und unscheinbar an der Hafenstraße, verfügt aber über die einzige erdgasbetriebene Espressomaschine, die es überhaupt gibt. Wie innovativ! Aber leider ist sie etwas komplexer, und so gibt es auch nur einen einzigen Kollegen, der sie bedienen kann – deshalb steht eine konventionelle daneben. Man sieht es aber doch, die Energiewende klopft an.
Man tut dem GWI nicht völlig Unrecht, wenn man behauptet, früher hätten sie hier Brenner verbessert – und heute optimierten sie Prozesse. „Wir brauchen Speicher in den Netzen“, sagt der wissenschaftliche Vorstand Klaus Görner. Da Sonne und Wind nur wankelmütig Energie liefern, „müssen wir die Energie in die Täler retten“: damit sie da ist, auch wenn seit Tagen keine Sonne scheint.
Daran forschen sie, und bis es soweit ist („eines Tages“), beteiligt sich das GWI auch an Bottrops Innovation City: Es baut in 100 Häuser 100 verschiedene kleine Kraftwerke, alle Hersteller, alle Techniken, um zu sehen, wie sie wirken. Görner, dieser Freund des Bildhaften, sagt so auch über die ganze Energiewende: „Die Musik spielt im Altbaubestand.“ Denn das Ruhrgebiet des Jahres 2040, es steht schon zu 80 Prozent um uns herum: So lange halten Häuser.
„Die Musik spielt im Altbaubestand“
Man muss aber gar kein Ingenieur und kein Professor sein, um sich in die Wende zu knien; Verwaltungsfachfrau geht durchaus auch. Michaela Bonan steht gerade im „Institut für Energieeffizienz“ der Uni Dortmund, zwischen seltsam geformten Autos, Elektroautos also, und spricht über ihre Aufgabe.
Bonan koordiniert den „Masterplan Energiewende“ der Stadt, den einzigen, den es in einer Kommune gibt, soweit man weiß. Der ist ein großes Beteiligungsprojekt, und jeder Dortmunder kann Ideen einspeisen. Das Projekt ist noch jung, Greifbares schwer auszumachen, aber Michaela Bonan hat schon bemerkt: „Es macht Spaß zu sehen, wie die Leute langsam verstehen, dass Energiewende nicht Strompreiserhöhung heißt, sondern eine Chance für die Stadt ist.“ Aus Bewahrern würden Gestalter, sagt sie.
Eines Tages: kommt.