Herten. . Die 18-Jährige aus Herten hat das Down-Syndrom. Sport treiben kann sie trotzdem – und soll es sogar. Nächste Woche startet Julia Cordes an der Hand ihres „Coaches“ Tilo Jost aus Bottrop beim ersten Vivawest-Marathon von Gelsenkirchen aus durchs westliche Ruhrgebiet.

Selten so gelacht beim Laufen. Andere mögen schnaufen, schweigend schwitzen oder schnattern, um sich abzulenken – Julia lacht. Laut, dass es in den Wald schallt. Spaziergänger schauen ihr nach, sie lächeln über das, was sie sehen: Julia joggt Hand in Hand, zieht ihre Mitläufer den Hügel hoch, macht oben einen Hüpfer und dann Pause.

So wird es auch beim Vivawest-Marathon sein: Rennen, Ausruhen, Lachen. Dort startet Julia Cordes für die „Down-Syndrom-Marathonstaffel“ des Laufclubs 21. Zusammen mit Tilo Jost aus Bottrop ist die Hertenerin das „Team Ruhrgebiet“.

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„Zehn!“, ruft Julia, „zehn!“ Aber „das waren schon acht Kilometer heute“, sagt Tilo. Was nicht wahr ist, aber auch nicht wichtig: Dass Julia läuft, ist viel, dass sie Freude daran hat, noch mehr wert. Das ist die Idee hinter dem Laufclub 21, gegründet 2007 in Fürth und bundesweit aktiv: „Ich kann laufen so wie du, und ich laufe auf dich zu!“

Menschen mit Trisomie 21 oder Down-Syndrom können Sport treiben, sollten es sogar. Julia etwa, als sie vor drei Jahren begann, „ist viel gestolpert“, erinnert sich Tilo Jost, „heute sind ihre Motorik, ihre Konzentrationsfähigkeit viel besser“. Jost, 47, ist durch seine Enkeltochter an den Laufclub geraten: Maya kam vor vier Jahren mit dem Down-Syndrom zur Welt. „Am Anfang war ich geknickt“, gesteht der Bauleiter, er suchte im Internet nach Wegen, mit dem behinderten Kind gut umzugehen.

Der „Coach“ ist Motivator, Trainer, Kümmerer – und Freund

Er fand den Sportverein. Noch ist Maya zu klein für Ausdauersport, der Opa aber, selbst Freizeitläufer, übt schon mal mit anderen: rennt mit, wenn die Staffel in Fürth startet oder beim München-Marathon, begleitet und sammelt Spenden. Und suchte sich im Ruhrgebiet Julia. „Coach“ nennen sie im Laufclub Leute wie ihn, die einmal in der Woche mit behinderten jungen Leuten in den Wald gehen. „Ich bin Motivator, Trainer, Kümmerer. Ich sorge dafür, dass sie trinkt und isst, dass sie immer eine Kappe auf hat.“

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Und Julia rennt. Lachend auf einen Baum zu, an dem sie ihr Bein abstellt und dehnt: „Unser Aufwärmbaum.“ Alle müssen mitmachen, Julia drückt Tilos Knie durch, da ist sie streng. Er aber auch: Alle paar hundert Meter reicht er dem Mädchen die Trinkflasche. „Der Stoffwechsel ist bei den ,Downies’ anders. Der ,Mann mit dem Hammer’ kommt viel eher.“

Und Julia soll ihn gar nicht erst kennen lernen. 18 Jahre alt ist sie jetzt, vom Entwicklungsstand ihres Körpers her etwa am Beginn der Pubertät. „Die Bänder und Sehnen sind auch weicher.“ Julia war zuletzt viel krank, gerade erst fängt sie wieder an zu trainieren. Aber sie muss auch keinen ganzen Marathon schaffen: Von Gelsenkirchen aus geht der Laufclub auf die Halbmarathonstrecke, hat Autos organisiert, die die Sportler zwischendurch aufnehmen, weiter vorn wieder absetzen. Immer mal zwei Kilometer, so werden sie laufen. Vor dem Ziel wollen sie sich treffen und gemeinsam einlaufen.

Verein sammelt Spenden

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Und Spenden sammeln: mit Büchsen, aber auch mit der Spendenmatte, die der Veranstalter auslegt. Julia kennt das, sie war schon beim Citylauf in Bottrop, beim Nikolauslauf in Gladbeck und beim Friedenslauf in Oberhausen. Sie liebt es, wenn die Leute ihr zujubeln, sie abklatschen. Dann lacht sie noch mehr. So baut der Verein Berührungsängste ab. „Erst machen die Leute erstaunte Gesichter“, sagt Tilo Jost, „dann fangen sie an nachzudenken: Es ist normal, dass Menschen um uns herum behindert sind.“

Er hat das selbst lernen müssen, von den Läufern im Verein. „Sie sind selbstbewusst, die können eigentlich alles. Sie können Gefühle zeigen, sie lügen nicht, sie sind, wie sie sind.“ Jost sagt, ihm sei damals „ein Stein vom Herzen gefallen“. Die Begegnungen, sein Leben mit Enkelin Maya, mit Laufpartnerin Julia haben „meine Werte verschoben“. Und Julia lacht ja schon wieder, macht einen Hopser – in den Ewaldsee. Zusammen mit Tilos Hund Paul. Nasse Füße? Julia kichert. „Sie holt dich immer runter“, sagt Tilo, „egal, wie viel Stress du hast.“

Beim Marathon am Sonntag, hat er dem Mädchen versprochen, „machen wir Spaß ohne Ende“. Auf jeden Fall: Hand in Hand.