Köln. Harte Beats und Kuschelalarm: Unter dem Motto «Unsere Freiheit hat Geschichte - 40 Jahre CSD» erinnerte die Christopher-Street-Day-Parade in diesem Jahr an die Geburtsstunde der homosexuellen Emanzipations- und Bürgerrechtsbewegung. Bei allen Show-Effekten war der CSD politischer als zuvor.
Laute Trillerpfeifen, bunte Plastikblumen-Girlanden und große Regenbogenfahnen bestimmten am Sonntagnachmittag das Kölner Stadtbild. Unter dem Motto «Unsere Freiheit hat Geschichte - 40 Jahre CSD» erinnerte die Christopher-Street-Day-Parade in diesem Jahr an die Geburtsstunde der homosexuellen Emanzipations- und Bürgerrechtsbewegung.
Nach Angaben des Veranstalters, des Kölner Lesben- und Schwulentag (KLuST), nahmen etwa 90 Gruppen, 200 Motorräder und rund 20 000 Teilnehmern an dem Umzug teil. Bei schwülheißen Temperaturen verfolgten rund 500 000 Zuschauer das schillernde und farbenprächtige Spektakel, das im Vergleich zu den Vorjahren über weite Strecke geradezu bieder ablief.
Nachdem es in den Vorjahren Beschwerden über angebliche obszöne Auftritte einzelner Gruppen gegeben hatte, verpflichtete der KLuST die Teilnehmer in einer »freiwilligen Selbstverpflichtung«, auf allzu offensichtliche Provokationen zu verzichten. Das bot viel Freiraum zur Interpretation, vor allem die einschlägige Fetischfraktion wollte auf keckes Busenblitzen und unanständiges Hüftwackeln nicht ganz verzichten.
Flyer und Kondome wurden verteilt
Die Mehrheit der Szeneclubs, Freizeitgruppen und Freunde mitunter sehr spezieller Veranlagungen beschränkten sich darauf, fröhlich und ausgelassen zu harten Discobeats zu feiern, Flyer und Kondome zu verteilen, sowie mit rosa Puscheln zu winken. Wasserpistolen sorgten für Abkühlung, während prächtig aufgebrezelte Dragqueens würdevoll die Paradestrecke entlang flanierten.
Auch das Publikum nutzte die Gelegenheit zur Selbstdarstellung. »Anna liebt Natalie - immer noch« bekannte ein händchenhaltendes Pärchen. Bei Temperaturen um die 30 Grad war im Publikum die gesamte Bandbreite der aktuellen Herrenunterwäsche zu entdecken, auch wurden Infusionsbestecke oder Stacheldraht hier zum selbstverständlichen modischen Accessoire. Manch wohlerzogener »Haussklave« erhielt an Kölns größten schwullesbischen Feiertag Ausgang und wurde latexgewandet von seinem stolzen »Besitzer« durch die Menge geführt. Die japanischen Touristen entlang der Strecke wussten jedenfalls kaum, wohin sie ihre Handykameras zuerst richten sollten.
Der heterosexuelle Teil des Publikums nahm es überwiegend gelassen. Mit dem urkölschen »Jeder Jeck es anders« kommentierte ein Feinripp- und Sandalenträger das weibliche Teenager-Pärchen, das sich zum spontanen Kuscheln in eine Ladenpassage zurückgezogen hat. Und ein älterer Herr erwog zum Erstaunen seiner Gattin, im nächsten Leben als Homosexueller wiedergeboren zu werden: »Du siehst doch, was die für einen Spaß haben« meinte er angesichts der Umzugsteilnehmer.
Politischer als in den Vorjahren
Bei allen Schau-Effekten war der diesjährige CSD in Köln politischer als zuvor. Die in NRW anstehenden drei Wahlen in den kommenden Monaten warfen ihre Schatten voraus. Mit Ralph Sterck (FDP) und Peter Kurth (CDU) sind zwei der drei Kölner Oberbürgermeisterkandidaten bekennend schwul, der gemeinsame Bewerber von SPD und Grüne, Jürgen Roters, ist zwar verheirateter Familienvater, wird aber in der Szene als engagierter Förderer von schwullesbischen Projekten geschätzt. Die »Community" ist wichtiges Klientel für die Kölner Parteien, fühlt sich einer Statistik zufolge jeder zehnte Bewohner der Millionenstadt zum eigenen Geschlecht hingezogen. So wurde auf dem begleitenden CSD-Straßenfest schon kräftig Wahlkampf gemacht. (ddp)