Heinsberg/Ruhrgebiet. . Erstmals machen die Verkehrskontrollen an den Ländergrenzen nicht Halt. Deutsche und Niederländer sind gemeinsam auf der Straße. Die Deutschen blitzen am Mittwoch mit bald 4000 Leuten an 3335 Messstellen im Land. Raser sind die Ausnahme.
Als wäre Blitzen nicht schon schlimm genug – wer am Mittwoch flitzt, wird „geflitst“: An der Grenze zu Limburg fährt auf einer deutschen Landstraße ein tschechischer Lkw in eine niederländische Radarkontrolle. Der 3. Blitz-Marathon ist international, Schnellfahrer machen auch nicht an alten Schlagbäumen Halt. „Die in Deutschland rasen“, ahnte Polizeisprecher Karl-Heinz Frenken, „rasen auch in Holland.“ Und die dortigen Polizisten „flitsen“.
Kollegen blitzen Seite an Seite im Blumenbeet eines Kreisverkehrs
Da stehen sie, Seite an Seite im Blumenbeet eines rheinischen Verkehrskreisels, mitten auf einer dieser endlosen Tempo-70-Strecken, wo alle paar hundert Meter ein Kreuz in den Graben gerammt ist: Klaus-Jürgen Schaaf mit der Laserpistole, Hauptkommissar aus Heinsberg, und Geert Peeters mit der Laser-Gun, Politieagent aus der Abteilung „Verkeershandhaving“. Beide blau, also: blau uniformiert und so weithin sichtbar, dass sie dem nahenden Sportwagen-Fahrer unmöglich entgehen können. Aber Frenken hat es gerade gesagt: „Wer’s jetzt noch nicht kapiert hat, hat’s auch wirklich verdient.“ Da blitzt und flitst es schon, „88 km/h“ melden die Männer froh; nicht, weil sie ein Ergebnis haben, sondern weil es dasselbe ist.
Und doch müssen sie lernen im nächsten Moment: Rasen ist relativ. Denn Flitsen ist teurer als Blitzen: 500 Meter weiter nur, hinter der Grenze hinter der Hecke, hätte derselbe Autofahrer, der jetzt 20 Euro abdrückt, 117 Euro bezahlt. Plus „Administratiekosten“ 124. „Da muss ich“, sagt Geert Peeters, „schon staunen.“ Er hat sein „Feitenboekje“ gezückt, sein Faktenbüchlein, in dem jedes Verkehrsvergehen aufgelistet ist, Tempo 100 hätte über 240 Euro gekostet, das Handy am Ohr 220. So lange arbeitet Peeters jetzt im Grenzgebiet, aber das hat er nicht gewusst: „Alles ist bei uns ganz viel teurer.“
Die Deutschen blitzen und blitzen an diesem Tag, mit bald 4000 Leuten an 3335 Messstellen im Land – aber vielleicht wäre die holländische auch eine Lösung: höhere Bußgelder? Geert Peters steckt sein Büchlein wieder ein und grinst: „Ich habe drüben heute schon drei Leuten den Führerschein ganz weggenommen.“ Ohne, dass die gezweifelt hätten, übrigens. „Die Polizei hat recht. Warum sollten wir lügen?“ Niederländer stellen sich nicht mittig in die Rabatten, sie „schießen“ aus der Hecke, verrät der Politieagent. Und von hinten. „Wir brauchen kein Foto, um irgendwas zu beweisen.“
Vieles ist natürlich überhaupt nicht lustig
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Die deutschen Kollegen haben ihre Messstationen sogar ins Internet gestellt. Und gewarnt, überall und immer wieder. „Wir wollen gesehen werden“, sagt Polizeisprecher Frenken in Heinsberg, „das ist der eigentliche Sinn: die Sache ins Bewusstsein zu rücken.“ Bei manchen nutzt es trotzdem nichts. Im Kreis Euskirchen fährt einer in die Falle, der hatte eigens einen Zettel ans Lenkrad geklebt: „Blitzer!!“ In Herne erklärt ein Autofahrer, sein Auto sei „so gut gerollt“, er habe nicht bremsen können. In Bochum geht einer ins Netz, da ist es gerade viertel vor sechs in der Frühe: Der Blitz-Marathon sollte doch erst um sechs beginnen!?
Vieles ist natürlich überhaupt nicht lustig: die Frau in Lünen, die 145 km/h fährt, wo 80 erlaubt sind (macht zwei Monate ohne Führerschein, 440 Euro Bußgeld und vier Punkte). Der Mann in einer Bonner 30er-Zone, der exakt doppelt so schnell unterwegs ist. Die Mutter auf der A 31, die in einer Baustelle, wo 60 gilt, deutlich über 100 fährt – mit Kind im Auto. „Jeder dritte Verkehrstote“, wiederholt NRW-Innenminister Ralf Jäger am Nachmittag, „ist Opfer zu hoher Geschwindigkeit.“ Die Zahlen sinken, ebenso die der erwischten Raser beim Blitz-Marathon, so viel lässt sich Mittwoch schon sagen.
Im Kreis Heinsberg, an dessen Grenzen die Niederländer „flitsen“, starben in diesem Jahr schon 13 Menschen. 2011 waren es elf.