Bochum. . Am Montagabend musste in Bochum ein Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg entschärft werden. Bei der Evakuierung fand die Feuerwehr eine Leiche, zwei Wohnungen mussten zudem aufgebrochen werden. In Essen und Duisburg ist man geschockt, in Bochum heißt es: Evakuierungsverweigerer seien nicht so selten.

„Boah“, sagt Peter Hilbrands, Duisburgs Stadtsprecher. Und man ahnt, wie er sich am anderen Ende der Telefonleitung entsetzt schüttelt. Er habe ja schon einiges erlebt bei Bombenentschärfungen. „Aber sowas? Zum Glück noch nie.“

Sowas? Am Montag war in Bochum eine fünf Zentner schwere Fliegerbombe entdeckt worden - 6,50 Meter tief unter der Kellerplatte eines Sechs-Familien-Hauses an der Freudenbergstraße. Und weil der Blindgänger ungewollt bewegt worden war, als man versuchte, ihn freizulegen, musste die Bombe sofort, also noch am Abend entschärft werden. Gefährlich genug, aber soweit ein Routinejob für Kampfmittelräumdienst, Stadt, Feuerwehr, Polizei, Rotes Kreuz und ASB. Erst mit der nötigen Evakuierung aller Gebäude in einem Umkreis von 250 Metern wurde es schwierig: Zwei Wohnungen mussten aufgebrochen worden, in einer dritten fand sich – eine Leiche.

„Ich verlasse mein Haus nicht, ich hab den Weltkrieg überlebt“

„Schlimm, ja. Aber nicht so dramatisch, wie es sich vielleicht anhört“, korrigiert Simon Heußen, Sprecher der Bochumer Feuerwehr, am Morgen danach aufgeregte Reaktionen und Schlagzeilen. Der Tote, ein 50 Jahre alter Mann, habe nicht, wie zunächst berichtet, wochenlang in seiner Wohnung gelegen, versucht auch Kristina Räß von der Polizei Bochum zu beruhigen. Man vermute, dass der Mann, der mit seiner 76-jährigen, dementen Mutter zusammen lebte, erst vor wenigen Tagen gestorben sei. Räß: „Tragisch. Aber unsere Ermittler gehen davon aus, dass der Mann eines natürlichen Todes gestorben ist. Es gibt keinerlei Hinweis auf Fremdverschulden.“ Die Mutter des Toten hatte der Feuerwehr die Tür geöffnet, da fiel der Verwesungsgeruch auf.

Gesperrte A 40

Im Umkreis von 250 Meter wurden die Menschen durch den Feuerwehr- und Rettungsdienst, sowie DRK und andere Rettungskräfte evakuiert. Die A 40 musste kurzfristig zwischen den Anschlussstellen Bochum-Mitte und Stahlhausen komplett für den Verkehr gesperrt werden. Bochum, Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Im Umkreis von 250 Meter wurden die Menschen durch den Feuerwehr- und Rettungsdienst, sowie DRK und andere Rettungskräfte evakuiert. Die A 40 musste kurzfristig zwischen den Anschlussstellen Bochum-Mitte und Stahlhausen komplett für den Verkehr gesperrt werden. Bochum, Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Fliegerbombe an der Freudenbergstraße am Montag, 30.07.2012. Dort ruhte die Bombe unter dem Keller eines Hauses und wurde nun entschärft.  Die A 40 musste kurzfristig zwischen den Anschlussstellen Bochum-Mitte und Stahlhausen komplett für den Verkehr gesperrt werden. Bochum, Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Fliegerbombe an der Freudenbergstraße am Montag, 30.07.2012. Dort ruhte die Bombe unter dem Keller eines Hauses und wurde nun entschärft. Die A 40 musste kurzfristig zwischen den Anschlussstellen Bochum-Mitte und Stahlhausen komplett für den Verkehr gesperrt werden. Bochum, Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Bei der Evakuierung.
Bei der Evakuierung. © WAZ FotoPool
Die Polizei sperrt die Abfahrt Freudenbergstraße.
Die Polizei sperrt die Abfahrt Freudenbergstraße. © WAZ FotoPool
Der Verkehr wird umgeleitet.
Der Verkehr wird umgeleitet. © WAZ FotoPool
Umleitungen auch für Rollerfahrer.
Umleitungen auch für Rollerfahrer. © WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Kai Berke kennzeichnet ein evakuirtes Wohnhaus an der Dinnandahlstraße in Hordel. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Kai Berke kennzeichnet ein evakuirtes Wohnhaus an der Dinnandahlstraße in Hordel. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Feuerwehr- und  Einsatzkräfte in Bereitschaft. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Feuerwehr- und Einsatzkräfte in Bereitschaft. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Kai Berke erklärt den Anwohnern die Zone der Evakuierung. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Kai Berke erklärt den Anwohnern die Zone der Evakuierung. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Anwohner warten auf den Transport. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Anwohner warten auf den Transport. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Auch für Anwohner gab es kein Durchkommen.   Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Auch für Anwohner gab es kein Durchkommen. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Anwohner wartet auf Hilfe beim Transport. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Anwohner wartet auf Hilfe beim Transport. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Gesperrte Zufahrt Freudenbergstraße.
Gesperrte Zufahrt Freudenbergstraße. © WAZ FotoPool
Fliegerbombe an der Freudenbergstraße am Montag, 30.07.2012. Dort ruhte die Bombe unter dem Kellder eines Hauses und wurde nun entschärft. Im Umkreis von 250 Meter wurden die Menschen durch den Feuerwehr- und Rettungsdienst, sowie DRK und andere Rettungskräfte evakuiert. Die A 40 musste kurzfristig zwischen den Anschlussstellen Bochum-Mitte und Stahlhausen komplett für den Verkehr gesperrt werden. Bochum, Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Fliegerbombe an der Freudenbergstraße am Montag, 30.07.2012. Dort ruhte die Bombe unter dem Kellder eines Hauses und wurde nun entschärft. Im Umkreis von 250 Meter wurden die Menschen durch den Feuerwehr- und Rettungsdienst, sowie DRK und andere Rettungskräfte evakuiert. Die A 40 musste kurzfristig zwischen den Anschlussstellen Bochum-Mitte und Stahlhausen komplett für den Verkehr gesperrt werden. Bochum, Die gesperrte und autoleere A 40 . Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Der Zünder. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Der Zünder. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Feuerwerker Erich Arndt (62) mit Zünder und der  Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Feuerwerker Erich Arndt (62) mit Zünder und der Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Feuerwerker Erich Arndt (62) mit Zünder und der amerikanischen 250 Kilo-Bombe.
Feuerwerker Erich Arndt (62) mit Zünder und der amerikanischen 250 Kilo-Bombe. © WAZ FotoPool
Abtransport der Bombe.  Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Abtransport der Bombe. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Abtransport der 5-Zentner-Bombe. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool
Abtransport der 5-Zentner-Bombe. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
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© WAZ FotoPool
Leere Straßen.
Leere Straßen. © WAZ FotoPool
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600 Menschen waren von der Evakuierungsmaßnahme betroffen; für fünf Stunden mussten sie ihre Wohnungen verlassen. Und ja, wie üblich, gab es Diskussionen. „Der Aufwand ist mir viel zu groß“, oder „Ich hab Angst um meine Wohnung“, seien die Gründe, die gern genannt würden, wenn jemand seine Wohnung nicht verlassen wolle, berichtet Simon Heußen, Sprecher der Bochumer Feuerwehr. Und natürlich: „Ich hab doch den Weltkrieg auch überlebt“. Freundliches Zureden, etwas Nachdrücklichkeit und manchmal ein Polizist in Uniform überzeugten aber in der Regel.

„Zieh-Fix“ als ziehendes Argument

Einer aber wollte am Montagabend wirklich nicht weichen. Der Mann weigerte sich vehement, sein Heim zu verlassen. „Er verbarrikadierte sich hinter seiner Tür und meinte, er gehe da nicht raus, das sähe er gar nicht ein“, berichtet Einsatzleiter Martin Hüdepohl. Nichts half. Und so kam der „Zieh-Fix“ zum Einsatz, das Gerät, mit dessen Hilfe die Feuerwehr den Zylinder des Schlosses aus der Tür rupft, um in die Wohnung zu gelangen. Als Feuerwehr und Polizei im Wohnzimmer des renitenten „Stubenhockers“ standen, änderte dieser doch noch seine Meinung: das richtige Werkzeug zieht manchmal auch als Argument.

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Eine weitere Wohnung musste von der Feuerwehr geöffnet werden, weil man darin eine „hilflose Person“ vermutete, so Hüdepohl. Die alte Dame hatte durch die geschlossene Tür erklärt, sie brauche einen Krankenwagen, könne das Haus nicht selbstständig verlassen; es dann offenbar aber doch getan: Die Wohnung war leer, als die Feuerwehr eindrang.

Türen wurden noch nicht aufgebrochen

„Türen wurden bei uns im Zuge einer Bombenentschärfung noch niemals aufgebrochen“, sagt Michaela Lippek vom Presseamt der Stadt Essen. Dabei gäbe es in der Stadt bis zu elf Bombenentschärfungen im Jahr. Ihr Duisburger Kollege Hilbrands erinnert sich an immerhin eine Zwangsevakuierung – in den letzten fünf Jahren.

Tatsächlich seien Zwangsevakuierungen, zumindest in Bochum, bei Bombenentschärfungen gar nicht so selten, sagt Martin Hüdepohl. „Zwei-, dreimal im Jahr kommt das wohl vor.“ In besonders hartnäckigen Fällen dürfe sogar ein Platzverweis ausgesprochen werden und der Evakuierungsverweigerer sogar in Gewahrsam genommen werden, so Feuerwehrsprecher Simon Heußen. „Aber das will ja keiner“, ergänzt er. Um die ganze Sache „nicht noch schlimmer zu machen“, und um sie nicht noch weiter zu verzögern. Im konkreten Fall hatte nämlich auch die A 40 gesperrt werden müssen...

Trotz aufgebrochener Türen, Leichenfund und entsetzter Nachbarstädte also eine „ganz normale Bombenentschärfung“ für Bochum? Nein. „Das Besondere an diesem Einsatz“, sagt Brandamtsrat Andreas Wrobel, „das waren die schwierige Lage der Bombe und die Tatsache, dass es sich um einen Spontanfund handelte.“ Eine Bombe also, die sofort entschärft werden muss. Ohne, dass man ein, zwei Tage Zeit, die Evakuierung vorzubereiten.