Ruhrgebiet. . Die Einäscherung Verstorbener bringt vielen Städten bares Geld. Die Krematorien im Ruhrgebiet entnehmen der Asche die Verbrennungs-Rückstände aus Metall – Gelenkprothesen aus Titan, Sargnägel, manchmal auch das Zahngold. Die Bestatter sind empört. Die Wertstoffe seien „Teil der Verstorbenen“.
Im Trauerfall, zumal in den ersten Tagen zwischen Tränen, Behörden und Beerdigung, hat der Mensch anderes zu denken als dies: Was passiert eigentlich mit Omas Goldzähnen? Was macht das Krematorium mit ihrer künstlichen Hüfte, dem Herzschrittmacher, den Sargnägeln? Über die Antwort denkt auch in besseren Zeiten niemand gern nach, hier ist sie trotzdem: Was beim Verbrennen übrig bleibt, wird in vielen Städten aus der Asche gefischt und zu Geld gemacht.
Um die 30 000 Euro „verdient“ Dortmund damit pro Jahr, Duisburg das Doppelte, in Süddeutschland kommen Städte gar auf ein Vielfaches. Und das Geschäft wird nicht schlechter: Von rund 850 000 Menschen, die jährlich in Deutschland sterben, werden immer mehr eingeäschert; im vergangenen Jahr betraf das erstmals mehr als die Hälfte. Da die Rohstoffpreise für Gold oder Titan, wie es in Implantaten häufig enthalten ist, stetig steigen, kann die Verwertung des Edelmetalls nach unterschiedlichen Berechnungen zwischen 50 und 80 Euro erbringen.
Kritik: "Reibach mit dem Leichengold"
Vom „Reibach mit dem Leichengold“ spricht die „Financial Times Deutschland“ (FTD) empört, auch der Bundesverband Deutscher Bestatter verurteilt das „Geschäft mit dem Tod“ als pietätlos: „Wir sind dagegen, dass Tote dermaßen ausgeschlachtet werden“, sagte Präsident Christian Streidt der FTD.
Im Essener Krematorium
Zahngold oder Reste von Schmuck seien „Teil der Verstorbenen“, gehörten „untrennbar dazu“, erklärt Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur und gelernter Pfarrer, gegenüber der WAZ. Man dürfe aus den Toten „nicht noch das Letzte herausholen“, sie „einer letzten Verwertung zuführen“.
Dabei dürfen die Städte schon. Zwar ist die Rechtslage nicht ganz eindeutig, doch entschied etwa das Hamburger Oberlandesgericht 2011, die Asche von Verstorbenen sei juristisch eine „Sache“, und außerdem „herrenlos“ – die Entnahme metallener Rückstände sei also keine Störung der Totenruhe und erst recht kein Diebstahl. Wobei es Fälle von modernem Grabraub durchaus gegeben hat, etwa in Hamburg, wo vor zwei Jahren bekannt wurde, dass sich mehrere Mitarbeiter des Krematoriums offenbar über Jahre an Zahngold und Schmuck aus der Totenasche vergriffen hatten.
Tut man das?
Dortmund, wo wie in Duisburg jährlich um die 5000 Einäscherungen vorgenommen werden, schrieb in seine Friedhofssatzung explizit, dass Angehörige mit ihrer Unterschrift auf „die mit der Leiche fest verbundenen Körperimplantate“ verzichten. Erschwert allerdings wird die Sache neben der juristischen durch die moralische Frage: Das Thema Zahngold von Toten ist in Deutschland wegen des Grauens seiner jüngeren Geschichte gefühlig. Aber auch Oliver Wirthmann vom Kuratorium für Bestattungskultur wirft ja niemandem vor, kriminell zu sein. Es gehe allein um die Frage: „C“
Und was tut man damit? Gegen das Aussortieren von Gelenkprothesen aus Titan kann niemand etwas haben: Sie passen schlichtweg nicht in die Urnen, auch Schrauben und Nägel des Sarges gehören dort nicht hinein. Der Verband der Bestatter empfiehlt seinen Mitgliedern deshalb, den Erlös vom Metallhändler an anerkannte gemeinnützige Organisationen zu spenden. Hamm und Werl halten das seit Jahren so, das private Krematorium in Siegen bedachte mit rund 1500 Euro im Jahr zuletzt etwa die Tafel oder einen Tierschutzverein.
Viele Kommunen aber bessern mit dem Geld ihre Kassen auf, wenn auch zweckgebunden: „Die Summe fließt wieder zurück in den Haushalt für Friedhöfe, nicht in den allgemeinen der Stadt“, versichert die Betriebsleiterin der Friedhöfe Dortmund, Sigrid Müller. „So können die Friedhofsgebühren konstant gehalten werden.“
Erlös wird für die Bestattung Mittelloser verwandt
Ebenso hält es Bochum, das sogar 100 000 Euro jährlich verbucht. Duisburg legte in seiner Satzung fest, den Metall-Erlös des Krematoriums für die Beerdigung Mittelloser einzusetzen. Essen legt das Zahngold den Urnen bei, versilbert nur die „Fremdstoffe“ und finanzierte damit in jüngster Zeit Rollstühle und einen Unterstand für seine Friedhöfe.
Der Schmuck wird zumeist vorher an die Angehörigen zurückgegeben. Zwar sind Grabbeigaben seit Jahrhunderten bekannt, die meisten Bestatter aber empfehlen den Erben heute, Ketten und Ringe als Erinnerungsstücke zu behalten. Bestatterin Beate Rumberg aus Witten etwa trägt selbst den Ehering ihrer Großmutter. „So habe ich wenigstens ein bisschen was von ihr.“