Gelsenkirchen. Ein Unteroffizier klagt gegen seine Entlassung. Er hatte in einer Coesfelder Kaserne Rekruten misshandelt – seine Verteidigung behauptet: Er habe nur Befehle ausgeführt.
Marc E., von schlanker Statur, wirkt mit seinen etwa 175 Zentimetern Körpergröße nicht wie ein Furcht einflößender Schleifer, der Rekruten geschlagen, getreten und gedemütigt hat. Doch offensichtlich herrschten 2004 raue Sitten im 7. Instandsetzungsbataillon der Coesfelder Kaserne. Wegen gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung ist der ehemalige Stabsunteroffizier bereits zu Geldstrafen verurteilt worden. Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen klagte der 31-Jährige jetzt gegen den Bescheid des Bundes, mit dem sein Dienstverhältnis fristlos endete.
Als Gruppenführer hatte der Mann aus Hamm im August 2004 einem Rekruten bei einem simulierten Verhör mit der flachen Hand ins Gesicht, einem anderen auf den Hinterkopf und in den Magen geschlagen. Ein Soldat, der am Boden lag, erhielt einen gezielten Tritt in die Magengegend. Mit verbundenen Augen mussten Soldaten als Übung im Rahmen einer Geiselnahme von der Rampe eines Pritschenwagens herunterspringen. Außerdem schleifte er Rekruten eine Kellertreppe herunter. Marc E. hält sich dennoch für einen guten Vorgesetzten, wehrt sich gegen das Image eines „hundsmiserablen Soldaten“.
"Meine Nackenhaare stellen sich auf, dass ich getreten haben soll"
Mit seinem Charakter und seinen Fähigkeiten, so seine Selbsteinschätzung vor Gericht, wäre er mindestens für zwölf Jahre, wenn nicht als Berufssoldat verpflichtet worden. Nach den Vorfällen durfte sich Marc E. aber nicht mehr zum Feldwebel-Lehrgang anmelden, erhielt ein Redeverbot innerhalb der Kaserne. Auch nach seinen Verurteilungen bleibt er dabei, keine Gewalt angewandt zu haben. „Meine Nackenhaare stellen sich auf, dass ich getreten und misshandelt haben soll.“
In der Verfügung über das vorzeitige Ende der Dienstzeit steht als Begründung auch der Vorwurf, die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet zu haben. Der 31-Jährige beruft sich darauf, als Gruppenführer die Befehle seines Vorgesetzten, des Zugführers, ausgeführt zu haben.
Gericht schlägt einen Vergleich vor
Für das Verwaltungsgericht ging es darum, in einem möglichen Vergleich sowohl dem Bund als auch dem Kläger gerecht zu werden. Nach vierjähriger Dienstzeit haben Zeitsoldaten bei Dienstende Anspruch auf Übergangsgeld. Die fristlose Entlassung erfolgte am 22. Februar 2005, einige Tage vor Erreichen der Vierjahresregelung. So riet das Gericht in seinem Vergleichsvorschlag dem 31-Jährigen, seine Entlassung zum 30. April 2006 zu beantragen, wobei gleichzeitig die finanziellen Ansprüche abgegolten wären. Der Bund muss seine Entlassungsverfügung entsprechend ändern, die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Sollten die streitenden Parteien dem Vergleich zustimmen, wäre das Verfahren beendet. Platzt der Vergleich, verkündet das Gericht am 18. Januar eine Entscheidung.
Beide Seiten tendieren zur Annahme des Vorschlags, behalten sich aber einen Widerruf vor. Dabei lüftete Oberstleutnant Horst Emhardt als Vertreter des Bundes ganz offenherzig ein vermeintliches Dienstgeheimnis. Er brauche noch Zeit, um seinen Dienstherrn kontaktieren zu können. Über Weihnachten sei das Verteidigungsministerium nicht funktionsfähig.