Bochum. Dicht flankiert von vier maskierten und bewaffneten SEK-Polizisten wird der prominente Schwerverbrecher in den Gerichtssaal geführt. Es ist Hans-Jürgen Rösner (52). Zahlreiche Medienkameras blitzen. Fast wie damals, 1988, als er das Ding seines Lebens durchzog, das Gladbecker Geiseldrama.
Nun geht es vor Gericht um sieben Gramm Heroin, die Rösner am 25. März 2009 in seiner Bochumer Zelle portioniert hatte. Peanuts – im Vergleich zu damals. Doch Rösners Verbrechen, bei dem zwei Geiseln (15, 18) erschossen wurden, hat sich so in die Erinnerung eingebrannt, dass auch dies jetzt interessiert. Zumal die sechs Monate Haft, zu denen das Gericht Rösner nach sechsstündiger Verhandlung verurteilen wird, auch dazu führen könnten, dass er seine lebenslängliche Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung bis zum letzten Atemzug absitzen muss. Quasi wegen schlechter Führung.
Bewacht wie ein Mafia-Killer
Rösner trägt auf der Anklagebank einen Blaumann, Häftlingskleidung. Sein dicker grauer Oberlippenbart, der beidseits weit herabhängt, verleiht ihm etwas Grobes, Verwegenes. Ja, er ist deutlich gealtert. Und da sind ja auch wieder die Tätowierungen am Arm bis auf den Handrücken. Wir kennen sie von damals, als er im T-Shirt kaltblütig mit der Pistole herumgefuchtelt hatte.
Alle SEK-Kräfte tragen Schusswesten. Zwei setzen sich direkt hinter Rösner. Ihre Augen blitzen aufmerksam durch die Sehschlitze. So bewacht man sonst Mafia-Killer. Doch was sie dann von Rösner hören, sind nur Banalitäten über den öden Knastalltag. Um eine mildere Strafe zu bekommen, beklagt sich der Gladbecker in klassischem Ruhrpott-Slang darüber, dass JVA-Leiter Henning Köster (61) ihn schon „von Anfang an gefressen” habe. Dieser verhänge ständig überzogene Disziplinarsanktionen: Trennscheibe bei Besuch, Reduzierung der persönlichen Habe, vier Wochen Arbeitsverbot. Gäbe es nicht das Strafvollzugsgesetz, so Rösner, „würde der mich in den tiefsten Keller sperren”. Köster bestreitet: „Das ist Quatsch, dass ich was gegen ihn habe. Dann hätte ich viel tun: Wir haben fast 800 Gefangene.”
Im Gegenzug teilte er einige Gründe der Sanktionen mit, etwa eine in einer Matratze gefundene Messerklinge. Oder den – später entkräfteten – Verdacht, dass Rösner mal geplant haben soll, ihn, Köster, als Geisel zu nehmen, um auszubrechen. Als sich Rösner und sein Verteidiger August Vordemberge aber trotzdem weiter über eine angebliche Ungleichbehandlung beklagen, meldet sich Oberstaatsanwalt Wolfgang Dörsch: „Haben wir jetzt der Larmoyanz von Herrn Rösner genug geopfert?!”
Die Anklage räumt Rösner ein. Ein Gefangener habe ihm das Heroin in einer Freistunde übergeben, damit er es für ihn portioniere. Er habe auch etwas davon geraucht. Plötzlich sei die Tür aufgeflogen: Kontrolle! Zur Sofortbuße musste er damals zwei Wochen in einer Arrestzelle schmoren.
Den Namen jenes Mithäftlings verrät Rösner nicht. Sein Anwalt: „Er ist nicht lebensmüde. Er möchte das Ende seiner Haftzeit noch erleben.” Sein Mandant sagt, dass er damals bereits mehrfach Heroin geraucht habe, weil er psychische Probleme gehabt habe. Grund: „Keine Perspektive, Hoffnungslosigkeit.” Außerdem habe er Hepatitis C – und keiner kümmere sich. „Ich bin zum Verrecken verurteilt.” Sein einziger Besuch ist seine Schwester, sagt er.
Nach 2016 entscheiden die Gutachter
In der Tat muss Rösner bis mindestens 2016 in Haft bleiben. Danach wird geprüft, ob er freikommen kann. Allein diese Prüfung dauert ein Jahr. Deshalb wollte Vordemberge das Verfahren eingestellt haben. Das lehnte der Ankläger ab. „Es gibt in der JVA keinen rechtsfreien Raum.” Vor allem Langzeithäftlinge sollen nicht meinen, „dass sie im Knast machen können, was sie wollen”.
Dörsch beantragt zehn Monate Haft. Rösner zuckt nur die Achseln: „Glauben Sie, dass mich zehn Monate beeindrucken, dass ich dann keine Drogen mehr nehme? Das geht mir, auf Deutsch gesagt, am Arsch vorbei. Das ist nicht rotzfrech gemeint, sondern eine Tatsache.”