Essen. . Es wird eng in den NRW-Hochschulen. Laut einer Studie gibt es im kommenden Wintersemester so viele Erstsemester wie nie zuvor. Verantwortlich dafür sind verschiedene Faktoren. Aber die Ruhrgebiets-Unis fühlen sich gut vorbereitet.
Ab Oktober wird es eng an den Hochschulen in NRW. Laut einer Studie der CHE Consulting gibt es dann so viele neue Studenten, wie nie zuvor. Denn zu Beginn des Wintersemesters 2011/2012 kommen einige Faktoren zusammen, die für diesen Ansturm auf die Universitäten verantwortlich sind. Aber die Unis im Ruhrgebiet fühlen sich gut vorbereitet.
In diesem Herbst kommt alles auf einmal. Mit der Abschaffung des Wehrdienstes und des Zivildienstes drängen Tausende junge Männer direkt nach der Schule an die Unis oder auf den Lehrstellenmarkt. In Bayern und Niedersachsen haben in diesem Jahr die ersten doppelten Abiturjahrgänge die Schulen verlassen und in NRW wurden die Studiengebühren abgeschafft. Laut der Rechnung der Hochschulexperten von CHE Consult aus Gütersloh könnte es in diesem Semester bundesweit 500.000 Erstsemester geben. Die NRW-Landesregierung erwartet bis Ende 2011 insgesamt 9.500 zusätzliche Erstsemester. Und richtig dicke kommt es dann, wenn 2013 der erste doppelte Abi-Jahrgang aus NRW versorgt werden will. Ein Szenario, auf das sich auch die Ruhrgebietsunis vorbereiten. „Wir sind gewappnet“, meint beispielsweise Petra Karst, Pressesprecherin des Studentenwerks der Uni Duisburg-Essen.
Studentenwerk Münster hat Hotelzimmer angemietet
Vorbereitungen für den „Worst Case“ hat das Studentenwerk Münster bereits getroffen. Denn guten und vor allem günstigen Wohnraum für die Studierenden zu schaffen, ist eine der größten Herausforderungen für die Unistädte. Dort wurden vorsichtshalber Zimmer in Hotels angemietet. Zurzeit würden nämlich zwei Studentenwohnheime saniert, erklärt Norbert Robers, Sprecher der Universität Münster. Das verschärft den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt in Münster noch mehr. Entspannter ist man da in Essen und Duisburg, wie Petra Karst erklärt: „Im Ruhrgebiet ist auch auf dem privaten Wohnungsmarkt viel möglich.“ Trotzdem habe man dort alte Wohnheime saniert und zwei neu hinzugekauft, um möglichst vielen Studenten einen Platz zum Wohnen zu bieten. Das Geld dafür, 15 Millionen Euro, stamme aus dem Konjunkturpaket II, so Karst. Insgesamt verfügt das Studentenwerk über 2.500 Zimmer in Wohnheimen. Wenn alle Stricke reißen kann das Essener Studentenwerk auf seine Kooperationen mit verschiedenen Wohnungsgesellschaften zurückgreifen. Karst: „Es muss niemand im Container oder in Zelten schlafen.“
Auf die angekündigte Studentenflut haben sich die Unis ihrer Aussage nach gut vorbereitete. Denn nicht nur Wohnraum wird knapp. Auch in den Hörsälen und den Mensen kann es eng werden. An der TU Dortmund wurden, so Pressesprecher Linnemann, einige Seminargebäude umgebaut. Besonders die Lehrräume für die Physik- und Chemiestudenten erstrahlen in neuem Glanz. Auch in Bochum sucht man nach neuen Räumen, am liebsten natürlich in der Nähe des Campus. „Das muss machbar sein“, sagt Peter Kardell, Leiter des Studierendensekretariats. Ein Gebäude für die Geisteswissenschaftler habe man schon gebaut, eines für die Ingenieure sei gerade in Planung.
Zulassungsbeschränkung für viele Fächer
Schwerwiegender als die Platzfrage ist aber die nach der Betreuung der Studierenden. An der Ruhr-Uni macht man sich Sorgen, dass die Medizinstudenten nicht mehr genug Praxis bekommen. Gegen dieses Problem, so Peter Kardell, sei darum eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen worden, die nach Räumlichkeiten und einer passenden Betreuung für die Praxisphasen der Studenten sucht. „Vielleicht gibt es dann bald ein Zwei-Schichten-Praktikum oder Ähnliches.“ Die TU Dortmund versuche dem Studenten-Professoren-Ungleichgewicht mit mehr Juniorprofessuren beizukommen, sagt Sprecher Ole Linnemann. Das Essener Studentenwerk stellt jetzt außerdem drei neue Sachbearbeiter im BAföG-Bereich ein.
Dass sie in großer Gesellschaft sind, merken die jetzigen Studienanfänger schon während der Immatrikulationsphase. Allein in Bochum rechnet man mit 40.000 Bewerbungen. Mehr al 2.000 Bewerbungen in einer Woche seien normal, sagt Peter Kardell. Um sich wenigstens ein bisschen gegen die Studentenflut zu wehren, belegt die Ruhr-Uni ab dem kommenden Semester noch mehr Fächer mit einem Numerus Clausus (NC). „So haben wir die Zahl der Einschreibungen gedeckelt“, sagt Kardell. Betroffen sind jetzt auch die MINT-Fächer, für die sich immer mehr Erstsemester interessieren: Mathe, Ingenieurswissenschaften, Natur- und Technikfächer. Bauingenieur und Informatiker wird man in Bochum nur noch mit einem besonders guten Zeugnis. Zulassungsfrei seien an der Ruhr-Uni mittlerweile nur noch einige Orchideenfächer, wie Peter Kardell erklärt. Auch im bundesweiten Vergleich zeigt sich, dass die Ingenieurswissenschaften auf dem Vormarsch sind. In NRW haben sie laut der CHE-Studie mittlerweile sogar die Sprach- und Kulturwissenschaften abgehängt. Beliebter sind nur noch die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
Inwiefern sich die aktuelle Prognose bewahrheitet, können die Unis allerdings erst Anfang Oktober zu Semesterbeginn sagen. Denn, so Petra Karst von Studentenwerk Essen: „Das geht jetzt erst richtig los.“