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96 Kirchen sind im Zuge der Strukturreform des Ruhrbistums geschlossen worden. Dazu kommen zwangsvereinigte Kindergärten, geschlossene Caritaseinrichtungen und abgewickelte Jugendtreffs. Wie arm oder reich ist die Kirche wírklich?

Die katholische Kirche im Ruhrgebiet muss Geld sparen. Das ist das, was Norbert Jost gehört hat, als seine Kirche in Bochum-Wattenscheid vor einigen Jahren geschlossen wurde. Norbert Jost ist Senioren-Leiter des örtlichen Kolpingvereins. Die St.-Nikolaus-Kirche war seine Heimat. Nicht mal mehr zum Beten kann heute Norbert Jost in das ehemalige Gotteshaus. Die Kirche soll jetzt an einen Privatmann verpachtet werden, heißt es.

96 Kirchen wurden im Zuge der großen Strukturreform des Ruhrbistums geschlossen. Dazu kommen zwangsvereinigte Kindergärten, geschlossene Caritaseinrichtungen und abgewickelte Jugendtreffs. Der Hauptgrund war immer gleich. Die Kirche müsse Geld sparen, hieß es, da es weniger Taufen gebe, weniger Christen und weniger Kirchensteuern.

Doch wie arm ist das Bistum wirklich? Zum ersten Mal konnte die WAZ Mediengruppe einen Blick in die Bilanzen der Kirche werfen. Und fand dabei einen Millionenschatz.

Milliarden aus der Kirchensteuer

Jahr für Jahr fließen dreistellige Millionensummen aus der Kirchensteuer in die Kassen des Essener Bischofs, dazu kommen weitere Millionen vom Land für die Schulen oder andere Bildungseinrichtungen. Genaue Angaben, wie hoch die Einnahmen im vergangenen Jahr waren, können noch nicht gemacht werden. Die neuesten Zahlen stammen aus dem Jahr 2009. Damals nahm das Bistum 234 Millionen Euro ein. Davon stammten alleine 164 Millionen aus der Kirchensteuer im Ruhrgebiet. Weitere 26 Millionen steuerte das Land für Lehrer und Schulen bei, 10 Millionen erstattete der Pensionsverein des Bistums, mit Mieten, Verpachtungen und Getränkeverkauf konnten knapp 3 Millionen Euro verdient werden, dazu kommen weitere Millioneneinnahmen, etwa aus den Eigenbeteiligungen der Priester für ihre Haushälterinnen.

Unter dem Strich macht das Bistum Essen einen satten Gewinn. Wenn jeder Seelsorger und jeder Priester im Ruhrgebiet sein Geld hat, blieben im Jahr 2009 rund acht Millionen Euro übrig. Im Jahr darauf rechnete das Bistum mit einem Gewinn von 7,8 Millionen Euro. Und im laufenden Jahr gehen Bischof Franz-Josef Overbeck und seine Finanzplaner von einem Gewinn von knapp 10 Millionen Euro aus.

Weder wird der Ornat des Bischofs üppig ausgestattet noch gehen die Millionen in Weihrauch auf. Das Bistum zahlt gerade 13 400 Euro für liturgischen Bedarf. Es fließt auch kein Cent in unnütze Paläste oder in ausgiebige Feste. Das Bistum ist sparsam. Für Kochgut werden für das Jahr 2010 nur rund 20 000 Euro ausgewiesen. Die Gewinne werden einfach angehäuft.

Millionen auf den Konten des Bistums

Geld von den Finanzämtern

Die Kirchensteuern im Bistum Essen sind trotz leerer Kapellen erstaunlich stabil. Rund 830 000 Katholiken sorgen für Einnahmen von rund 170 Millionen im langjährigen Mittel. Aktuell bekam das Bistum etwa 158 Millionen Euro von den Finanzämtern im Ruhrgebiet überwiesen. Bei anziehender Konjunktur steigen die Einnahmen. Bei einer wirtschaftlichen Flaute sinken sie.

Langfristig ist allerdings mit leicht sinkenden Kirchensteuern zu rechnen. Im Schnitt rund 4500 Kirchenaustritte pro Jahr belasten die Finanzen des Bistums. Dem stehen durchschnittlich nur etwa rund 150 Eintritte gegenüber. Etwa 10 500 Katholiken werden im Jahr beerdigt. Dagegen lassen etwa 5200 Taufen auf die Zukunft der Kirche hoffen.

Mittlerweile lagern über 85 Millionen Euro auf den Konten des Bistums als reines Bankguthaben. Dieser Schatz ist so gut wie Bargeld. Nur besser verzinst. Dem Schatz gegenüber stehen Schulden, die mit 56 Millionen Euro leicht bedient werden könnten – wenn das Bistum nur wollte. Es will aber nicht. Stattdessen decken die Zinseinnahmen auf den Schatz in etwa die Ausgaben für die Zinsen auf die Schulden.

Auch die Pensionen der Priester werden nicht aus dem Schatz auf der Bank bedient. Die Pensionen werden vor allem mit Hilfe einer 93 Millionen Euro schweren Pensionskasse gesichert, die ebenfalls vom Bistum verwaltet wird.

Der Kirchenkritiker Carsten Frerk sagt, der Bankschatz der Essener sei nur die Spitze eines Eisberges. „Viele Bistümer sind dabei, Bargeld in Nebenhaushalte und Stiftungen zu verschieben, um damit für schlechte Zeiten vorzusorgen, wenn die Kirchensteuern weniger ausgiebig sprudeln.“ Er glaubt nicht, dass die Katholiken im Ruhrgebiet arm sind. „Das Geld wird gehortet.“

Rückläufige
Mitgliederzahlen

Der Finanzvorstand des Bistums, Ludger Krösmann, will das nicht auf sich sitzen lassen. Er sagt, die 85 Millionen Euro auf der Bank seien zur Sicherung der Zukunft notwendig. „Wir müssen weiterhin mit rückläufigen Mitgliederzahlen und damit sinkenden Einnahmen rechnen. Deshalb ist eine Rücklage unverzichtbar, um in Zukunft unsere seelsorglichen und caritativen Aufgaben erfüllen zu können.“ Unter anderem aus diesem Grund seien die Kirchen im Bistum geschlossen worden.

Norbert Jost aus Bochum-Wattenscheid sagt, es sei ihm egal, wie reich oder arm das Bistum sei. Für ihn sei entscheidend, dass er in seiner Kirche St. Nikolaus beten könne. Und das dürfe er nicht, weil die Kirche dicht gemacht wurde, weil gespart werden müsse.