Essen/Düsseldorf. Nach der Atom-Katastrophe in Japan dreht sich die Debatte in Deutschland um zwei Schlüsselwörter: Atomausstieg und Energiesparen. Auch die NRW-Landesregierung geht auf Sparkurs - und das ist dringend nötig: Jedes zweite Ministerium verschleudert Energie.
Wenn du die Welt verändern willst, beginne bei dir selbst. Diese Weisheit hat sich wohl NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) zu eigen gemacht. Denn mit dem Klimaschutzgesetz, das er jetzt auf den Weg gebracht hat, will er die Gebäude der Landesverwaltung CO2-neutral sanieren. Und das ist bei einigen Ministerien auch dringend nötig. Was die Gebäude der Landesregierung an Energie verpulvern, ließe man kaum einem Privathaushalt noch durchgehen.
Leuchtend rot und gelb erscheinen Wände und Fenster zahlreicher Ministerien auf den Wärmebildern, die der Energieberater und Architekt Jan Pongs für diese Zeitung gemacht hat. Die Farben rot und gelb sind Zeichen für enormen Wärmeverlust., gut isolierte Häuser erscheinen blau oder pink auf diesen Fotos. Zählt man den Landtag und die Staatskanzlei mit, ist jedes zweite NRW-Ministerium schlecht isoliert. Ohne die beiden Gebäude sind es sogar zwei Drittel.
Weit oben auf der Rangliste der Gebäude, die am schlechtesten gedämmt sind: Das Klimaschutzministerium von Johannes Remmel, quasi das Zuhause des obersten Energiesparers von NRW. Auch das Ministerium für Energie, Bauen und Wohnen ist ironischerweise eine Energieschleuder. Die Ziegelsteinwände sind nicht gedämmt, und durch die Fenster verlieren sie enorm viel Wärme. Am schlechtesten isoliert ist jedoch das Justizministerium: ein klassizistischer Altbau aus dem Jahr 1870, der unter Denkmalschutz steht. „Bei dieser Architektur ist es eigentlich klar, dass das Gebäude schlecht isoliert ist“, sagt der Energieberater Jan Pongs.
Justizministerium wurde für 20 Millionen Euro saniert
Überraschend ist aber, dass der gesamte Bau noch vor einem Jahr für 20 Millionen Euro saniert worden ist. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW zählt auf: Neue Wand- und Bodenbeläge wurden verlegt, Brandschutz eingerichtet und Schadstoffe entsorgt. Doch Wärmedämmung? Keine Spur. Und so ist mit der Wärmebildkamera von außen denn auch deutlich zu sehen, wo die Heizungen die Energie verschleudern: Unterhalb der Fensterbänke leuchten die Wände hellgelb. Selbst die neuen Fenster könnten besser isoliert sein. „Das ist ein Skandal“, sagt Bärbel Hildebrand vom Bund der Steuerzahler in NRW. “Wärmedämmung ist heutzutage doch das A und O einer Sanierung.“ In der Privatwirtschaft dürfte ein Gebäude wie das Justizminsterium sogar nicht mehr vermietet werden, da es den notwendigen Energiepass nicht bekäme.
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Solche Gebäude soll es im Bestand der Landesverwaltung im Jahr 2030 nicht mehr geben. Wenn es nach dem Willen von Johannes Remmel geht, werden dann alle Ministerien CO2-neutral sein. Das heißt, dass sie möglichst wenig Emissionen ausstoßen und mit Ökostrom betrieben werden. Emissionen, die nicht eingespart werden können, sollen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Also: Stößt ein Gebäude weiterhin CO2 aus, werden diese Emissionen mit anderen Gebäuden, die eine bessere Bilanz haben, verrechnet. Was all diese Maßnahmen kosten werden, steht noch nicht fest. Doch könnte über die Energiekosten langfristig mehr Geld gespart werden, als für die Sanierung ausgegeben wurde. Der Bund der Steuerzahler begrüßt diese Maßnahmen: „Die Betriebskosten müssen dauerhaft gesenkt werden. Dafür sollte jetzt – sinnvoll eingesetzt – Geld in die Hand genommen werden.“ Die klimafreundlichen Ministerien sollen laut Umweltminister Remmel dann Vorbild sein für Privathaushalte und Wohnungsgenossenschaften haben.
Bis aber alle Ministerien durch die Wärmebildkamera kühlblau erscheinen, ist es noch ein langer Weg. Das Klimaschutz-Gesetz befindet sich zur Zeit noch in der Ressortabstimmung. Noch vor der Sommerpause soll es dem Landtag vorgelegt werden, heißt es im Klimaschutzministerium. Erst danach klären Experten den energetischen Status quo der Verwaltungsgebäude. Sie sollen untersuchen, wo wie viel Energie verschwendet wird und wo wie saniert werden kann.
Angestellte lassen Fenster über Nacht geöffnet
Außerdem können laut Ministerium auch Mitarbeiter mit ihrem Verhalten Energie einsparen. Eine entsprechende Effizienzkampagne der Energieagentur NRW habe bei der Bundeswehr 23 000 Tonnen Kohlendioxid eingespart – umgerechnet sind das rund 5,3 Millionen Euro. Eine solche Kampagne hätte sicher auch Erfolg in den NRW-Ministerien. Bei dem nächtlichen Fotoshooting mit der Wärmebildkamera standen in fast allen Ministerien etliche Fenster auf Kipp – auf den Bildern deutlich als hellgelber Streifen zu erkennen. „Gegen dieses typische Nutzerverhalten hilft auch die beste Sanierung nichts“, sagt Energieberater Pongs.