Ruhrgebiet. . Männer definieren sich laut einer Studie stark über ihren Beruf. Um im Ruhestand nicht in eine Sinnkrise zu fallen, arbeiten viele von ihnen noch jahrelang weiter. Der Verein Starter Consult bietet ihnen eine Plattform im Ruhrgebiet.

Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Fachbücher, stundenlang verfasst er einen Artikel für eine wissenschaftliche Zeitschrift. Abends steht ein Vortrag an, eine Masterarbeit muss auch noch korrigiert werden. Nichts besonderes für einen normalen Arbeitnehmer. Für Klaus Wermker schon. Vor drei Jahren hätte der Leiter des Essener Büros für Stadtentwicklung aus dem Beruf ausscheiden sollen. Stattdessen hat er noch mal eineinhalb Jahre drangehängt. Erst seit Dezember 2009 ist Klaus Wermker offiziell im Ruhestand.

Doch wirklich ruhig ist es um den 67-Jährigen nicht geworden. Als Honorarprofessor an der Universität Duisburg-Essen gibt er sein Wissen in Vorlesungen und Vorträgen weiter. „Einfach aufzuhören wäre Irrsinn“, sagt Wermker. „Das Wissen, die Erfahrung und die Netzwerke muss man doch nutzen.“ Wie viel er pro Woche arbeitet, kann und will der Essener nicht beziffern. Einfach die Füße hochlegen? „Das kann ich nicht.“

Männer wie Klaus Wermker gibt es viele. Da ist der Chef einer Essener Kultkneipe, der Zapfhahn und Kochlöffel vor 15 Jahren an seinen Sohn übergeben hat und immer noch dazwischen funkt – mit 75 Jahren. Oder der Duisburger Gewerkschafter, der sich seit 60 Jahren für die IG Bau engagiert und die Seniorenarbeit in der Stadt vorantreiben will. Oder der ehemalige Schulleiter in Borbeck, der jetzt im Ruhestand eine eigene Schule gründen will. Oder der Betriebswirt Wilhelm Matuszczak aus Essen, der ehrenamtlich für einen Elektrobetrieb den Businessplan erstellt.

Männer definieren sich über Beruf

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Wayne State University in Detroit hat jetzt Gründe für den Unruhestand vieler Männer vorgelegt. 20 000 Deutsche wurden zu ihrer persönlichen Zufriedenheit befragt. Das Ergebnis: Männer definieren sich stark über ihren Beruf. Je mehr Einfluss, je höher die Position, desto zufriedener sind sie.

Fällt mit dem Job ein wesentlicher Bestandteil der Zufriedenheit weg, suchen sich viele Männer neue Projekte. Sie renovieren das Haus, gestalten den Garten neu, oder wollen – zum Leidwesen der Ehefrau – den Haushalt neu organisieren. „Da können Sie warten, bis es in der Ehe richtig kracht“, sagt Josef Grabenzeh vom Verein Starter Consult.

Für den Verein bieten knapp 50 Ruheständler ihre Erfahrung an. Darunter ehemalige Bankdirektoren, Vorstandsmitglieder, Krisenmanager und Ingenieure. Sie beraten mittelständische Unternehmen im Ruhrgebiet in Managementfragen.

Ans Aufhören ist nicht zu denken

Einer von ihnen ist Hartmut Friedrich aus Ratingen. Der Betriebswissenschaftler und Ingenieur war bis 1993 Vorstandsmitglied einer großen Düsseldorfer Aktiengesellschaft. Doch seine Zukunft sah er nicht nur darin, mit den Enkeln spazieren zu gehen „und den Rest des Tages sitzt der Opa im Sessel“, sagt der 74-Jährige. Der Verein Starter Consult schickt ihn in unregelmäßigen Abständen in die Unternehmen. Dort erarbeitet er neue Geschäftsordnungen, verändert Satzungen oder entwickelt Ideen für neue Einnahmequellen.

Dank seiner Hilfe verdient jetzt zum Beispiel eine Essener Grabsteinfirma zusätzliches Geld, weil tausende Tonnen Steinmehl pro Jahr nicht billig an den Straßenbau verkauft, sondern zu hochwertigen Schamottesteinen gebrannt werden. Warum er das macht? „Weil ich Erfahrungen und Kontakte habe, die anderen helfen können. Es ist schön, sich ehrenamtlich in einer Zeit zur Verfügung zu stellen, in der jeder nur noch an sich denkt“, sagt Hartmut Friedrich, der seit zehn Jahren für Starter Consult unterwegs ist. Ans Aufhören denkt er auch mit 74 Jahren noch nicht.