Essen. Seit Jahren begleicht die Stiftung Zollverein Rechnungen in Millionenhöhe nur zum Teil. Aktuell soll der Konzern Hochtief offene Forderungen in sechsstelliger Höhe haben. Es droht ein Prozess.

Kurz nach dem Ende des Kulturhauptstadtjahres ist auf Zeche Zollverein Streit um Geld ausgebrochen. Nach Recherchen der WAZ-Mediengruppe, zu der DerWesten gehört, begleicht die Stiftung des Weltkulturerbes seit Jahren Rechnungen in Millionenhöhe nur zum Teil. Aktuell soll der Baukonzern Hochtief auf offenen Forderungen in sechsstelliger Höhe sitzen. Ein Prozess droht. Die Stiftung Zollverein bestreitet gegenüber der WAZ eigenes Fehlverhalten.

Seit Monaten überweise Zollverein nicht einmal die vertraglich vereinbarten Pauschalen pünktlich an die Firma Hochtief, heißt es aus der Stiftung. Hochtief ist seit Anfang 2010 für das Gebäudemanagement auf Zollverein verantwortlich und damit eine Art Hausmeister, der dafür sorgen soll, dass alles in Schuss bleibt. Seit Herbst habe die Stiftung Zollverein fällige Rechnungen zurückgegeben, heißt es weiter. Als Begründung werde angeführt, die Berechnungen von Hochtief seien nicht plausibel genug, oder fehlerhaft. „Da werden die ganzen Tricks abgezogen“, sagt ein Stiftungsinsider.

Derzeit würden Mitarbeiter der Stiftung über das Weltkulturerbe geschickt, um mit Fotoapparaten angebliche Mängel in der Arbeit von Hochtief aufzudecken. Damit werde ein Rechtsstreit mit Hochtief vorbereitet, um nicht die volle Summe zahlen zu müssen, heißt es.

Hoffen auf Haushalt

Die Stiftung Zollverein bestätigt die Fotografentour: „Die Dokumentation der Leistungen von Hochtief wird zurzeit erstellt.“ Es sei jedoch nicht zutreffend, dass Zollverein einen Rechtsstreit vorbereite. Alle vorliegenden Rechnungen seien bezahlt worden, der Gesamt-Auftragswert betrage 1,664 Millionen Euro. Hochtief wollte öffentlich „keine Stellung“ nehmen.

Tatsächlich aber scheint Geld auf Zollverein knapp zu sein. Bislang sind nur maximale 4,5 Millionen Euro für die laufenden Kosten garantiert, die das Land zahlt. Wie viel Geld die Stiftung darüber hinaus für Bauprojekte vom Land bekommt, ist offen. 2009 hatte Zollverein mehr als elf Millionen Euro Landesmittel verbaut, 2010 immerhin zwei Millionen. Dadurch, dass der Landeshaushalt vom NRW-Verfassungsgericht in Münster gekippt wurde, kann Zollverein nicht planen. „Die Entscheidung kann erst nach Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 2011 erfolgen“, teilte ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums mit. Dabei sind die anstehenden Aufgaben kostspielig. Eigentlich soll die Sanierung von gleich mehreren Hallen noch in diesem Jahr beginnen.

Weitere Betroffene

Nach Recherchen der WAZ kürzt die Stiftung seit Jahren Rechnungen. Thomas Schmoll­mann zum Beispiel beschäftigte in seiner Firma vor fünf Jahren noch fast 20 Leute, heute kämpft er gegen die Privatinsolvenz. Schuld ist laut Schmollmann die Zahlungsmoral auf Zollverein.

Schmollmanns Firma Troika sollte für Zollverein Sprinkleranlagen installieren. Die Vorarbeiten in der Kohlenwäsche verzögerten sich, die Kosten stiegen an. Erst kurz vor der Eröffnung der Design-Messe Entry 2006 wurde alles fertig. Doch Zollverein kam mit den Zahlungen nicht nach: Laut Schmollmann überwiesen die Betreiber des Weltkulturerbes fast immer zu spät und insgesamt mehr als 300.000 Euro weniger als gefordert.

Ende August 2006 meldete Schmollmann Insolvenz an: „Ich hätte nie gedacht, dass ich von einem quasi öffentlichen Auftraggeber so in die Knie gezwungen werde.“ Die Stiftung Zollverein finanziert sich fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln. Auf dem ganzen Gelände wurden mehr als 160 Millionen Euro Steuergeld verbaut. Die Stiftung Zollverein sagt, Troika habe abschlagsgerechte Zahlungen erhalten. Zudem sei die Insolvenz „bereits während der Bauphase“ erfolgt und habe daher mit dem Zollverein-Auftrag nichts zu tun.

Thomas Schmollmann sieht das anders. Der Insolvenzverwalter seiner Firma führt derzeit Vergleichsverhandlungen mit Zollverein. Die Forderung beläuft sich auf 940.000 Euro.

Architekt in der Krise

Auch der Architekt Heinrich Böll fühlt sich um sein Geld betrogen und klagt vor dem Landgericht Essen auf die Zahlung ausstehender Honorare. Wie die WAZ berichtete, fordert Böll mehr als eine Million Euro. „Wenn meine Familie mich nicht unterstützt hätte, wäre ich in eine Existenzkrise gerutscht“, sagt Böll.

Die Stiftung Zollverein bestreitet die Forderungen des Architekten und macht angebliche Schäden geltend, für die Böll haften müsse.

Gegenüber der WAZ-Mediengruppe bestätigen weitere Firmen Ärger mit Zollverein. Keiner der Handwerker will bislang genannt werden, aus Angst, in der Region Aufträge zu verlieren. Kaum eine Rechnung sei voll bezahlt worden. „Das scheint Prinzip zu sein“, sagt ein Handwerker.

Zollverein entgegnet, es seien „nur nachweisbar begründete Rechnungskürzungen vorgenommen worden.“

Keine Rücklagen

Unterdessen wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe aus der Finanzierung des Kulturerbes aussteigen will. Der Stiftung fehlen damit ab 2013 zusätzlich 150 000 Euro im Jahr.

Die offenen Forderungen können für Zollverein zum Problem werden. Nach Auskunft der Stiftung wurden keine Rückstellungen gebildet, um Böll, Troika oder Hochtief noch zu bezahlen. Ohne frisches Geld droht aber das Aus, sobald die Stiftung zur Zahlung verurteilt wird. Allerdings bekräftigt Zollverein nicht von der Pleite bedroht zu sein. Die Stiftung sei zahlungsfähig.

Intern wird derzeit versucht, das Problem grundlegend zu bereinigen. Wie es heißt, wird in der Landesregierung diskutiert, die Stiftung Zollverein mit der Stiftung Industriedenkmalpflege und Ge­schichtskultur zu vereinen. Zumindest die doppelten Kosten für die Geschäftsführung könne man so sparen, heißt es.