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Die Öffentlichkeit diskutiert über Organspenden in der Regel ethisch-moralisch. Dabei sind es oft ganz profane Alltagsprobleme in den Krankenhäusern, die Organentnahmen verhindern.
Es kann das fehlende Intensivbett sein, der belegte OP oder die in jeder zweiten Klinik mangelnde Bereitschaft, potenzielle Spender überhaupt zu melden. Dadurch gehen viele Organe unnötig verloren – ob der Verstorbene einen Spenderausweis trägt oder nicht.
„Die Debatte über die Widerspruchslösung führen wir seit den 70ern, sie bringt uns nicht weiter. Stattdessen müssen wir die strukturellen Probleme in den Klinken lösen”, sagt Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer.
In den vergangenen Jahren ist schon einiges geschehen: In NRW muss seit 2008 jede Klinik einen Transplantationsbeauftragten benennen. Die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) in NRW erfasst jede einzelne Meldung. Tatsächlich ist die Zahl der Organspenden leicht gestiegen – auf 259 in 2009. Trotzdem: „Noch immer gibt es viele Häuser, die erst gar keine Fälle melden”, sagt Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW.
Knappes Personal wird gebunden
Im DSO-Jahresbericht 2009 lässt sich das für jede Klinik nachlesen. Die meisten Organentnahmen gab es an den sieben Unikliniken. Es folgen die 18 Kliniken mit Neurochirurgien. Dort landen viele Patienten mit lebensgefährlichen Schlaganfällen oder Schädel-Hirn-Traumata, die für Organspenden infrage kommen. Kaum Organentnahmen gab es dagegen in den 312 Kliniken mit Intensivstation, aber ohne Neurochirurgie. Von ihnen meldeten 177 Häuser (56 Prozent) nicht einen potenziellen Spender. Zwar behandeln sie deutlich seltener Unfallopfer und Schlaganfallpatienten. Dass es aber auch manch kleine Klinik auf vier Organspenden gebracht hat, zeigt das große Potenzial.
In kleinen Häusern sorgen Organentnahmen für einiges Aufhebens: Sie müssen die Spezialisten vom DSO rufen und bis zu deren Ankunft den Patienten intensiv versorgen. Das bindet mitunter knappes Personal. Dann rückt das DSO mit einem ganzen Team inklusive Chirurg an, diagnostiziert den Hirntod, berät im Zweifel die Angehörigen und besetzt einen Operationssaal für mehrere Stunden.
Lassen die Kliniken es am Geld scheitern?
Dafür erhält die Klinik eine Aufwandsentschädigung von rund 2150 Euro für die Entnahme einzelner und rund 3500 Euro für die Entnahme mehrerer Organe. Laut Umfrage hält jede zweite Klinik dies für nicht kostendeckend.
Dass man es am Geld scheitern lässt, würde keine Klinik zugeben. Ebenso wenig, dass die Klinikleitung lieber nicht den Ruf erwerben möchte, besonders häufig Organe entnehmen zu lassen. Der stets wiederkehrende Appell der DSO an die Klinikchefs, ihren Transplantationsbeauftragten den Rücken zu stärken, lässt aber Raum für Rückschlüsse.
Aufschlussreich sind in der DSO-Statistik auch die Gründe, warum mehr als jede zweite gemeldete Organspende nicht zustande kommt: Oft stimmen die medizinischen Voraussetzungen nicht. Sind sie gegeben, verhindern meist die Verwandten die Spende, das war vergangenes Jahr 117-mal in NRW der Fall. Dabei verwiesen nur knapp die Hälfte auf den ihnen bekannten Willen des Verstorbenen. Die anderen Hälfte lehnte selbst die Organspende ab, oft aus Unsicherheit, was der Verstorbene wohl gewollt hätte.