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Die von Rot-Grün geplante Abschaffung der Studiengebühren wird den Unis schaden - aber auch den Studenten, schreibt der ehemalige Rekotr der Uni Duisburg-Essen, Lothar in seinem Gastbeitrag für DerWesten.

Ein erstes Ergebnis der rot-grünen Koalitionsverhandlungen scheint festzustehen: Die Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester werden wieder abgeschafft. Für die Hochschulen ist das schlecht, ihnen werden Finanzmittel entzogen, mit denen sie sich derzeit so gerade über Wasser halten. Es ist aber auch schlecht für die sozialen Schichten, die in NRW von der Hochschulbildung ferngehalten werden, und zwar angeblich durch die Studiengebühren.

Seit der Einführung der Studiengebühren im Jahr 2006 haben die NRW-Hochschulen jährlich etwa 260 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Davon werden Maßnahmen zur Verbesserung der Studienbedingungen finanziert, über die die Studierenden mitbestimmen. Es geht also nicht um Dienstwagen für Rektoren, sondern um zusätzliche Lehrveranstaltungen, bessere Betreuung von Erstsemestern, Beratungsangeboten und anderes mehr.

Geld weg - Verbesserungen weg

Wenn die 260 Millionen Euro weg sind, sind auch diese Verbesserungen wieder weg. Darunter werden nicht zuletzt gerade die Studierenden leiden, die aus „bildungsfernen Schichten“ kommen. Sie finden sich nämlich weniger gut in der Massenhochschule zurecht als die Kinder von Akademikern und brauchen deshalb eine bessere Betreuung.

Aber hat Rot-Grün nicht versprochen, dass die Einnahmeausfälle durch staatliche Finanzzuweisungen kompensiert werden?

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Von DerWesten

Sorry, liebe Hochschulen, das Geld hat NRW nicht in seinem Haushalt. Es reicht schon jetzt nicht, die Kommunen können ein Lied davon singen, und zusätzliche Kredite aufnehmen ist auch nicht drin, denn ab 2020 gilt die Schuldenbremse.

Hessen macht gerade vor, wie man es schafft, Kompensation zu versprechen aber doch nicht zu zahlen: Nachdem zunächst die Gelder, die durch die Abschaffung der Studiengebühren entfallen sind, aus dem Landeshaushalt ersetzt worden sind, werden sie jetzt wieder aus den Hochschulen herausgeholt.

Aber werden denn nicht die Familien entlastet, die nach dem Willen von Rot-Grün nicht mehr zahlen müssen?

Das hängt davon ab, ob es sich um gut verdienende oder schlecht verdienende Familien handelt. Wer reich ist, wird am meisten entlastet. Er zahlt einfach nicht mehr die 500 Euro. Wer sehr arm ist, wird nicht entlastet. Er konnte bisher ein Darlehen aufnehmen, das faktisch nicht zurückgezahlt zu werden brauchte, da es durch die Bafög-Rückzahlungen abgegolten war.

Defizite aus der Schule

Wer nicht ganz so arm ist, muss das Darlehen nach dem Studium zurückzahlen, aber nur, wenn er selbst Geld verdient. Man muss nicht FDP- oder CDU-Wähler sein, um zuzugeben, dass dieses NRW-Modell in sozialer Hinsicht gelungen war. Das Hauptargument aller Studiengebührengegner lautet: Gebühren führen dazu, dass weniger junge Leute ein Studium aufnehmen. Gerade Kinder aus einkommensschwachen Schichten würden aus den Hochschulen verdrängt. Die Realität sieht allerdings anders aus.

In NRW ist von einer sozialen Selektion so gut wie nichts zu merken. Das zeigen Untersuchungen. Auch in Österreich, das 2001 Studiengebühren von knapp 400 Euro pro Semester eingeführt hatte, war die Zahl der Studienanfänger nach einer kurzen Zeit wieder auf dem alten Stand angelangt und danach kontinuierlich gestiegen. Es gibt keine empirischen Belege für die „Verdrängungsthese”, solange die Gebühren nicht mehr als 500 Euro pro Semester betragen und mit einem Darlehensmodell verbunden sind.

Und wenn Rot-Grün doch noch zusätzliche Finanzmittel im Staatshaushalt auftreiben sollte? Dann sollte die neue Regierung besser die Gebühren für die Kindergärten abschaffen und mehr in die Schulen investieren. Dort findet die stärkste soziale Selektion statt. Sie hat dazu geführt, dass das deutsche Hochschulsystem – auch ohne Studiengebühren – sozial viel selektiver wirkt als das der meisten anderen Länder. Die Defizite aus dem Schul- und Vorschulbereich können in den Hochschulen nur zum Teil „repariert” werden. Kann man von einer Regierung nicht erwarten, dass sie das Geld der Steuerzahler klug anlegt, so dass es wirklich den „bildungsfernen Schichten” nutzt?