Dortmund. Es gibt zu wenig muslimisches Personal in Pflegeheimen. Politiker wollen deshalb auch Hauptschülern den Berufseinstieg ermöglichen. Das käme vielen jungen Leuten mit türkischen Wurzeln entgegen. Denn Deutsche und Türken haben auch bei der Pflege ganz unterschiedliche Bedürfnisse.

Deutsche pflegen Deutsche und Türken Türken. Doch das wird zum Problem, weil es zuwenig muslimisches Personal, aber immer mehr muslimische Kranke gibt. Jetzt soll die Zugangsvoraussetzung zur Pflegeausbildung auf den Hauptschulabschluss gesenkt werden. Das käme vielen Hauptschülern mit türkischen Wurzeln entgegen.

Trotz gemeinsamer Jahre fremd geblieben

„Wir haben zuwenige examinierte muslimische Pflegekräfte”, sagt Carola Reimann, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, die sich zusammen mit der CDU für die Änderung der Zugangsvoraussetzung zu Pflegeberufen stark macht. Statt mittlerer Reife soll der qualifizierte Hauptschulabschluss reichen. „Viele Hauptschüler sind Muslime. Es wäre gut, wenn wir sie in die Pflege locken könnten.” Die SPD-Bundestagsabgeordnete ist sicher: „Damit leisten wir nicht nur einen Beitrag für die kultursensible Altenhilfe, sondern auch für die vielen Mädchen mit Migrationshintergrund.”

Die Einwände des deutschen Pflegerates, mit der erleichterten Zugangsvoraussetzung entwerte man die Pflegeberufe, setze deren Qualität herab, teilt sie nicht: Die Inhalte der Ausbildung blieben gleich. „Wir brauchen Pflegekräfte, die die Sprache sprechen und die Bräuche kennen. Und das sind nun mal türkische Migranten.”

Pflege gilt als Ehrensache

Sie hätten bestimmt Zugang zu jener türkischen Frau, die gerade ins „Haus am Sandberg” in Duisburg eingezogen ist. Mit gerade mal 62 Jahren gehört sie zu den jüngeren Pflegebedürftigen. Obwohl sie schon vor 30 Jahren nach Deutschland kam, spricht sie kaum ein Wort Deutsch. Sie wirkt wie eine alte, gebrechliche Frau. Wie es ihr geht? Ihr Gesichtsausdruck nimmt was Geqäultes an: In ihrer Muttersprache sagt sie: „Mir gefällt es nicht. Keiner spricht Türkisch.”

Dabei ist sie schon sehr weit gegangen für eine Muslimin. Denn die meisten möchten in ihrer Familie gepflegt werden. Gerade unter Türken wird Pflege als Ehrensache gehandelt. Pflege hat in der Familie zu geschehen, auszuführen von den weiblichen Mitgliedern. ,,Viele ältere Menschen akzeptieren nicht, dass sich die Zeiten geändert haben. Dass sie Kinder haben, die auch arbeiten müssen und nicht den ganzen Tag Zeit haben”, sagt die Pflegeberatung in Remscheid.

Schlechterer Gesundheitszustand

Dass muslimische Migranten wegen körperlich harter Arbeit bei schlechter Ernährung gesundheitlich häufig angeschlagener sind als deutsche Senioren weiß auch Ralf Krause, Geschäftsführer des DRK-Pflegeheimes „Haus am Sandberg”. „Unsere Muslime haben fast alle eine Diabetes und das mit gerade mal 50.” Krause berichtet von den unterschiedlichen Bedürfnisse von Deutschen und Türken. Das fängt beim Essen in den späten Abendstunden an und hört dort auf, wo Deutsche Gedächtnistraining oder Aqua-Power fordern. „Türkinnen wollen einfach nur beisammen sitzen und sprechen.”

Die rund 30 türkischen Angestellten wissen das und haben sich längst darauf eingestellt. Das „Haus am Sandberg”, das drei Jahre lang von Wissenschaftlern der Uni Duisburg vorbereitet wurde, spiegelt allerdings nicht die Pflegerealität in deutschen Pflegeheimen wieder. Denn während die Zahl der muslimischen Pflegebedürftigen gewachsen ist, konnte die Entwicklung bei den Pflegenden nicht mithalten.

Doch Ralf Krause räumt trotz aller Modellhaftigkeit seines Hauses ein: „Wir sind nicht besser als die Gesellschaft es ist. Hier leben die Kulturen nebeneinander, aber zumindest tun sie sich nichts.”