Essen. Im Juni fällt der Startschuss für den Pflege-TÜV. Durch Kontrollen der Medizinischen Dienste soll die Situation in deutschen Altenheimen transparenter werden. Die Tester sollen die Qualität von Pflege und Betreuung bewerten und Bewohner befragen - die Ergebnisse müssen veröffentlicht werden

Sie kommen meist zu zweit, immer unangemeldet, und nehmen das Haus, seine Bewohner und die Arbeit der Beschäftigten akribisch unter die Lupe: Die Teams der Medizinischen Dienste. Sie sind in Zukunft zuständig für den bundesweiten „Pflege-TÜV”.

Transparenz per Verordnung

Der wurde im Jahr 2007 – nach diversen Pflege-Skandalen – allseits gefordert. Transparenz sollte hergestellt werden im Wachstumsmarkt Pflege”, für den das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) rund 25 Milliarden Euro Umsatz im Jahr errechnet hat. Im Juli 2008 trat der neue § 115 Sozialgesetzbuch XI in Kraft. Er regelt vor allem eins: Dass die Ergebnisse des „Pflege-TÜV” veröffentlicht werden müssen – hausintern und im Internet.

Die Pflegekassen, die Träger der Pflegeeinrichtungen und -dienste, der Medizinische Dienst der Krankenkassen und die Kommunalen Spitzenverbände der Länder haben seitdem das gemeinsame Verfahren zur Qualitätskontrolle entwickelt und beschlossen.

Erste Prüfungen im Juni

Auch die Qualität der sozialen Betreuung geht in die Bewertung ein. Foto: Imago
Auch die Qualität der sozialen Betreuung geht in die Bewertung ein. Foto: Imago © Unbekannt | Unbekannt





„Gemessen an anderen Gesetzgebungsverfahren war das sehr schnell”, sagt Christiane Grote, Sprecherin beim Spitzenverband des Medizinischen Dienstes mit Sitz in Essen. Hier koordiniert das „Qualitätsmanagement Pflege” die Einsätze der knapp 400 Sachverständigen, die bundesweit im Einsatz sein werden.

Noch sind nicht alle Stellen besetzt; trotzdem sollen die ersten Prüfungen im Juni starten. Bis Ende 2010 sollen alle rund 11 000 Pflegeheime und mehr als 11 500 ambulanten Pflegedienste der Republik nach 82 einheitlichen Kriterien durchleuchtet sein. Ab 2011 – so ist die Planung – wird jedes Heim, jeder Dienst, einmal im Jahr inspiziert und bewertet.

Bewohner sollen befragt werden

Vier Teilgebiete werden in den Heimen überprüft: Pflege und medizinsche Versorgung der Versicherten (35 Kriterien), Umgang mit Demenzkranken (10), soziale Betreuung (10) sowie Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene (9). Alle Ergebnisse jedes Bereichs werden in eine „Schulnote” von „sehr gut (1)” bis „mangelhaft (5)” umgerechnet, daraus ergibt sich eine Gesamtnote fürs Haus.

Zusätzlich wird eine repräsentative Gruppe der Bewohnerinnen und Bewohner befragt. Auch ihr Urteil wird in einer Note zusammengefasst, die allerdings neben dem Gesamtergebnis des Hauses steht. 

Alle Einzelnoten und die Gesamtbewertung für das Heim oder den ambulanten Dienst stehen etwa sechs Wochen später im Internet – selbst wenn die Heimleitung verspricht, erkannte Missstände zu ändern und dies tut. Eine bessere Note gibt es erst nach einer erneuten Überprüfung.

Es bleiben Wünsche offen

Die Tester wollen auch Bewohner befragen. Foto: Imago
Die Tester wollen auch Bewohner befragen. Foto: Imago © Unbekannt | Unbekannt





„Niemand kann sich in Zukunft mehr verstecken”, sagt Wilfried Jacobs, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg, die allein rund 1000 Pflegeheime und 1200 ambulante Pflegedienste betreibt. Bedenken der Kritiker teilt er durchaus: „Auch ich hätte mir eine stringentere Beurteilung gewünscht. Alles, was mit zur direkten Pflege am Patienten gehört, darf nicht kompensiert werden durch andere Punkte.”

Dass etwa eine Fünf bei der Dekubitus-Behandlung ausgeglichen werde dadurch, dass es „schriftliche Verfahrensanweisungen zu Erster Hilfe” im Haus gibt, sei nicht in Ordnung. Ein Fehler sei es auch, dass die Bewohner zwar 18 Fragen zu ihrer Behandlung und zur Qualität des Hauses beantworten sollen, dass ihr Urteil in die offizielle Prüfungsnote aber nicht einfließt. „Außerdem muss man die Angehörigen einbeziehen.”

Dennoch fordert Jacobs, nun erst einmal mit den Prüfungen zu starten. „Wir sind damit auf dem richtigen Weg. Sobald die ersten Häuser bewertet sind und ihre Ergebnisse im Internet stehen, bekommen wir eine interessante Diskussion.” Nachbessern werde man schließlich immer wieder.


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