Essen. Wenn die Kulturhauptstadt 2010 beginnt, sind die drei größten Bahnhöfe im Ruhrgebiet Baustellen. In Essen hat die Bahn das Gebäude dann fertig, die Stadt aber nicht das Umfeld. In Dortmund und Duisburg wird an den Gebäuden gearbeitet. Der Fahrgastverband "pro Bahn" übt scharfe Kritik.
Man kann es ein Tunnelloch nennen oder auch den provisorischen Nordostausgang des Essener Hauptbahnhofs; jedenfalls steht da an einem Container ein Teil des Schlamassels aufgezählt: „Alle Züge, die planmäßig aus Gleis 6 fahren, fahren... abweichend aus Gleis 4."
So weit, so klar, nur folgt darunter umstandslos die Liste „Ausnahmen und weitere Abweichungen” mit zehn Punkten, in sich zum Teil nochmals unterschieden in werktags und sonntags, sowie die Ausnahmenausnahme, dass der Regionalexpress 11 statt aus Gleis 6 oder Gleis 4 aus Gleis 10 fährt, außer dem um 20.15 Uhr, versteht sich.
Essens Bahnhof in Trümmern
Arbeiter bohren, spachteln, stopfen, schweißen, Essens Bahnhof liegt in Trümmern. Für Fahrgäste ist das extrem schwierig, auf einer Baustelle ein-, aus- und umzusteigen; vor allem, wenn sie unter Zeitdruck einer Gleisänderung hinterherrennen müssen durch ein Gebäude voller Absperrungen – oder auch gleich außen herum.
Freilich war die Sanierung des Bahnhofs überfällig und dringend nötig zur Kulturhauptstadt 2010. Und keine Frage, dass der Trümmerhaufen sich bis dahin fügt. Anders als seine Umgebung allerdings: Die Stadt beginnt mit ihrem „Umbau Hbf/Umfeldmaßnahmen” erst im Herbst. Für Vorplatz und Straßen, Parkplätze und Fernbusbahnhof braucht sie bis in den Kultursommer hinein.
Und auch in den beiden nächstwichtigen Hauptbahnhöfen der Kulturhauptstadt Ruhr 2010, in Dortmund und in Duisburg, werden die Zug fahrenden Besucher zunächst in Baustellen landen – denn dort geht es ja gerade um die Sanierung der Empfangshallen. In beiden Städten beginnen die Umbauten im Juli und dauern bis weit ins nächste Jahr hinein. „Jetzt müssen wir da durch, aber das Wesentliche wird früh fertig”, sagt eine Bahn-Sprecherin. Es entstünden „Vorzeigebauten für 2010, die das Gefühl von Schick vermitteln”.
Pläne blieben viele Jahre liegen
Nur: Wann? Da rächt sich nach der Ansicht von Experten gerade, dass die Sanierung der Bahnhöfe sich lange verzögert hat. Pläne waren fertig, blieben aber liegen, weil niemand wusste, welche Umbauten der Metrorapid brauchen würde – das Wunschprojekt der Regierung Clement kam dann nie zustande. Auch gab es ewige Verhandlungen mit privaten Investoren, die zu nichts führten. Dass die Bauarbeiten nun schräg ins Jahr 2010 reichen, sieht der Sprecher der Kulturhauptstadt freilich „sportlich. Wir haben den Titel seit drei Jahren, in der Zeit kann man nicht alles verändern, aber alles anstoßen”, sagt Oliver Hänig: „Die Sanierung hätte noch nicht einmal begonnen ohne die Kulturhauptstadt.”
„Aufhübschung” nennt Lothar Ebbers die Umbauten in Dortmund und Duisburg; der Sprecher von „pro Bahn” übt Generalkritik: „Die funktionalen Schwächen bleiben.” Beim Essener Umbau handele es sich sogar „in einigen Bereichen um eine Verschlimmbesserung”. So würden „die Leute in die Ladenflächen kanalisiert, es gibt keinen direkten Zugang mehr zur Verteilerebene”; und Verteilerbene und Treppen würden „echte Engpässe. Bei wirklich großen Veranstaltungen, die in Essen aber nicht so oft sind, gibt es da großes Gedränge.”
Kurioserweise bleibt bei den Arbeiten in Duisburg das größte Problem ungelöst. Saniert werden die Empfangshalle und der Durchgangs-Tunnel zu den Gleisen, nicht saniert wird das marode Dach. Ab einem mittleren Regen wird hier jeder nass, ab einem schüchternen Sturm drohen Teile herabzustürzen: Es wäre nicht das erste Mal.
Und so spricht – für irgendwann später – Martin Sigmund von der „DB Station und Service” von „sehr dringendem Handlungsbedarf” für eine „zweckmäßige und standardmäßige Bedachung”. Für Duisburgs Oberbürgermeister klingt das ein bisschen zu mäßig: „Zwischen einem Foster-Glasdach und einer Standardhalle gibt es eine mittlere Lösung”, sagt Adolf Sauerland (CDU): „Das ist ja nicht der Entenfang, das ist der Hauptbahnhof.”