Ruhrgebiet. Die Internationale Gartenausstellung (IGA) kommt in sechs Revierstädte. Was sie plant, steht nun fest. Der Eintrittspreis nur ungefähr.

Wenn man mal von den Jungs absieht, die immer verbotenerweise in den Rhein-Herne-Kanal springen, dann kriegt man Gelsenkirchen nur ganz schlecht ans Wasser. Der Kanal ist buchstäblich eine Wasser-Straße, die Emscher noch die alte, also einbetoniert und abgesperrt. Es gebe in der Stadt „kaum einen Ort, wo man ans Wasser kann“, sagt Christoph Prinz, Leiter der Stabsstelle in der Stadtverwaltung zur IGA 2027, also der kommenden „Internationalen Gartenausstellung“. Die will das entschlossen ändern.

Daher gehört zu ihrem Plan für den Nordsternpark unter anderem, neue Wasserläufe anzulegen und das große, abgesperrte Wendebecken am Kanal zugänglich zu machen - die dichten Büsche und Bäume, hinter denen es sich versteckte, die sind schon weg. Iga und Stadt werden die Spundwände sanieren und schwimmende Stege verlegen. Es gibt auch die Idee, Wassertaxis fahren zu lassen zwischen dem Amphitheater und dem Hafen Karnap. Aber das Wassertaxi, sagt Christoph Prinz in einem passenden Bild, „das ist noch nicht in trockenen Tüchern“.

Die Brache sollte ein Wal werden, doch die Bäume wuchsen nicht

Auf der Brache hinter der Kokerei Hansa wollten Bäume nicht wachsen - nun  wird sie ein Park.
Auf der Brache hinter der Kokerei Hansa wollten Bäume nicht wachsen - nun wird sie ein Park. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die Iga kommt im Sommerhalbjahr 2027 an fünf Stellen ins Ruhrgebiet. Sie ist, wie alle Gartenschauen, ein grün angestrichenes Stadtentwicklungsprogramm; die drei wesentlichen Standorte sind Duisburg-Hochfeld, Gelsenkirchen-Horst und Dortmund-Huckarde. „Nicht die Nobelecken des Ruhrgebiets, und das bewusst“, sagt Geschäftsführer Horst Fischer. Man gehe dahin, „wo nicht jeder einen Garten oder einen Balkon hat“.

Stop also in Huckarde. Hier arbeitete, qualmte, toste und stank die Kokerei Hansa. Heute ist sie ein gut eingeführtes Industriedenkmal, an das sich eine grün überdeckten Brache anschließt. „Sie sollte ein Wald werden, aber auf der abgedeckten Altlast wuchsen die Bäume nicht“, sagt Horst Fischer. Für Gartenbauer ist das natürlich eine einzige Provokation.

Bauern aus der Umgebung kamen regelmäßig zur Kokerei

Die Kokerei Hansa ist ein beliebtes Industriedenkmal. Hier das frühere Salzlager, das man mieten kann für Veranstaltungen aller Art.
Die Kokerei Hansa ist ein beliebtes Industriedenkmal. Hier das frühere Salzlager, das man mieten kann für Veranstaltungen aller Art. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Die Antwort heißt: „Kokereipark.“ Am Ende entstehe, so heißt es, „ein abwechslungsreicher und zusammenhängender Freizeit- und Erholungsraum für die gesamte Stadt und die Region“. Grüne Bezüge hatte ja schon die Kokerei: Bei der Verkokung fiel Ammoniumsulfat an, ein hoch wirksames Düngemittel. Weshalb die Bauern der Umgebung schon in den 20er-Jahren ihre Pferdewagen auf die qualmende, tosende und stinkende Kokerei lenkten, um es abzuholen. Passt.

2,6 Millionen Besucher werden zur Iga erwartet, das sei noch „konservativ geschätzt“, also niedrig, heißt es. Danach fließen aus Brüssel, Berlin und Düsseldorf 200 Millionen Euro Fördergelder in die Flächen und Projekte; die Iga-Gesellschaft selbst hat für die Präsentationen 2027 einen Etat von 86 Millionen. Über Eintrittspreise zu reden, ist erkennbar zu früh, Besucher der Bundesgartenschau Mannheim zahlten zuletzt 28 Euro. „Da versuchen wir drunter zu bleiben.“

An drei Standorten muss man bezahlen, an zweien nicht

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Dabei werden sich die Garten-, Hallen- und Blümchenschauen auf die drei genannten Standorte konzentrieren, für die man dann Eintritt bezahlen muss. Kostenfrei können Besucher die beiden anderen betreten: Das nahezu fertiggestellte „Emscherland“ in Castrop-Rauxel mit dem renaturierten Fluss und eine Haldenlandschaft zwischen Lünen und Bergkamen, wo zur Zeit noch die Bergaufsicht regiert.

Wo Duisburg-Hochfeld sich dem Rhein nähert, da findet sich diese typische Ruhrgebietsmischung: früher das Gelände eines großen Walzdrahtwerkes, heute Industrienatur mit Wasserturm. Wildblumenwiesen mit Erzbunkerwänden. Die Stadt Duisburg arbeitet hier seit Jahren am „Rheinpark“, die Ambitionen der Iga kommen nun oben drauf.

„Sie glauben doch nicht, dass dann keiner ins Wasser geht“

Der Rheinpark in Duisburg erstreckt sich links und rechts der Güterzugstrecke. Man muss sie auf einer Brücke überqueren oder Unterführungen nutzen.
Foto: Fabian Strauch / FUNKE Foto Services GmbH
Der Rheinpark in Duisburg erstreckt sich links und rechts der Güterzugstrecke. Man muss sie auf einer Brücke überqueren oder Unterführungen nutzen. Foto: Fabian Strauch / FUNKE Foto Services GmbH © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

„Die Industrie zieht sich vom Rhein zurück“, sagt Katrin Schmitz von den Wirtschaftsbetrieben Duisburg; die Stadt will das nutzen, um auch rechtsrheinisch wieder nah an den Fluss zu rücken. Wenn die Blumen im Herbst 2027 weg sind, hinterlässt die Gartenschau neue Spiel- und Sportmöglichkeiten, Aussichtspunkte und „atmosphärische Beleuchtung“, so Schmitz - Industrierelikte, die im der Dunkelheit farbig schimmern, funktionieren ja eigentlich immer.

An allen fünf Standorten geht es also um Wandel: des alten Zechen- und Gartenschau-Geländes in Gelsenkirchen. Einer Stahlwerksbrache in Duisburg, einer Kokerei in Dortmund, einer Haldenlandschaft in Lünen/Bergkamen und eines Flusses in Castrop-Rauxel. Womit der Wandel des Ruhrgebiets insgesamt ganz gut abgedeckt wäre.

Ach ja, und des Wendebeckens am Kanal, wo nichts mehr wendet, sondern Gelsenkirchen dann ans Wasser kommt. Man wird es 2027 sehen können, herangehen können, daran sitzen können, auf die Stege gehen können. Ins Wasser selbst, vier Meter tief, sollen die Leute aber möglichst nicht. „Sie glauben doch nicht, dass dann keiner ins Wasser geht!“, sagt eine Besucherin zu Prinz, dem Vertreter der Stadt. Für diese Prognose reicht mittelgutes Hellsehen vollends aus.