Washington/Essen. Halbzeit in Washington: Familie Papieß aus Essen ist in die USA gezogen, um dort an einer deutschsprachigen Schule zu unterrichten.
Einfach mal am Globus drehen und schauen, wo der Finger landet. Mit diesem Gedanken startete eine Essener Familie vor rund zwei Jahren in ein Auslandsabenteuer: beruflich und privat. Holger Papieß, Rektor der Städtischen Grundschule Essen-Burgaltendorf, zog es mit Frau, Töchtern und Cocker Buddy nach Washington D.C. Dort leitet er für drei Jahre den Grundschulbereich der German International School (GIS).
In Köln hatte der 56-Jährige wichtige Kontakte zu seinem Arbeitgeber auf Zeit geknüpft. Auf der Bildungsmesse Didacta informierte er sich erstmals über mögliche Auslandseinsätze für Pädagogen. Nun stand er Mitte Februar mit einem Lehrerteam selbst dort am Stand, um für das deutsche Schulwesen im Ausland die Werbetrommel zu rühren. „Die GIS in Washington D.C. ist eine von 140 Schulen des weltweiten Netzwerks Deutscher Auslandsschulen. Vom Kindergarten bis zum Abitur unterrichten wir umfassend“, erklärt er. Und natürlich möchten wir auch wissen, wie es der Essener Familie weiter ergangen ist seit dem ersten Beitrag in unserer Sonntagszeitung im Oktober 2022 über den Umzug ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten.“
Auch interessant
Hund Buddy ist immer dabei
Allem voran, weil „Herrchen“ immer gleich nach ihm gefragt wird: Buddy, der schwarz-weiße Cockerspaniel hat ebenfalls den Dienst aufgenommen. Der siebenjährige Rüde ist als Schulhund im Einsatz. „Das ist in Amerika sehr selten“, sagt Papieß. Buddy darf sich frei in der Schule bewegen, er geht in die Klassen, und ein Gassigehen-Plan wurde ausgefeilt. Denn alle Kids möchten ihn ausführen. „Sie lieben ihn, spielen mit ihm Ball und streicheln die Fellnase ausgiebig. Traurigen Kindern spendet Buddy Trost.“
Auch interessant
„Wir fühlen uns sehr wohl hier“, erzählt der Essener Rektor. In Rockville, 15 Minuten von der Schule, hatten die Essener vor gut anderthalb Jahren ein schönes Zuhause auf Zeit gefunden. Längst kennt man die amerikanischen Nachbarn und nimmt an ihren Festen teil. „Vor Weihnachten wurden wir zum Singen abgeholt“, berichtet Holger Papieß. „Gemeinsam zogen wir mit einem Liederzettel von Tür zu Tür.“ Immer wieder ein paar Tage ist der Pädagoge an der Ruhr, wo einiges auf ihn wartet: Besuche bei Eltern, Schwiegereltern und Freunden. Auf der To-Do-List stehen zudem Einkäufe. Tütensaucen, Gummibärchen, Shampoo und Kinderschokolade füllen die Wunschliste. „Alles für den persönlichen Bedarf“, fügt er an. Manche dieser Produkte gebe es nicht in Amerika, oder sie seien dort viel teurer.
Auch interessant
Aller Anfang ist schwer
Das erste Jahr empfand er als recht anstrengend. Zeitumstellung, neues Umfeld, unbekannte Kollegen. „Die Arbeit an der GIS ist anspruchsvoll. Die Schule besitzt eine ganz andere Struktur.“ Die private Grundschule zeichne sich durch kleine Klassen und eine persönliche Lernumgebung aus. Sie beginnt mit der Schuleingangsstufe (SES) und endet nach der Klasse 4. Die SES sei eine Art Brücke und bereite Kita-Kinder spielerisch auf die Anforderungen der ersten Klasse vor. So besitzen die Mädchen und Jungen, die längst nicht alle deutsche Wurzeln haben, beim Schulstart die erforderliche Basis für das Lesen und Schreiben auf Deutsch. Und neue Fächer lernen sie kennen: Sachkunde, Naturwissenschaften, Musik, Kunst und Mathematik. Englisch steht ab der ersten Klasse auf dem Stundenplan.
Auch interessant
Interaktive Experimente
„Ab Klasse 4 nutzen die Kinder ein hochmodernes Naturwissenschaftsgebäude. Darin werden sie angeleitet, selbst erste interaktive Experimente durchzuführen“, berichtet Papieß. Er unterrichtet in Washington D.C. sein Lieblingsfach: Sport. Auf Deutsch. Vom Schulschwimmbad schwärmt er seit der ersten Minute und betont, dass neben Ausdauer der Teamgeist der Schüler gefördert werde. Die Familiensituation hat sich zur Halbzeit in Washington D.C. für Papieß verändert. Auch Amelie Papieß (18), die zweite Tochter, hat 2023 ihr Abitur in Essen gemacht. Lea, ihre ältere Schwester, studiert in Klagenfurt am Wörthersee mittlerweile Medien- und Kommunikationswissenschaften. „Anja, meine Frau, arbeitet seit August 2023 auch wieder als Lehrerin. Sie unterrichtet Mathe in der fünften Klasse.“ Zweimal im Jahr fliegen die Töchter nach Amerika, wo sie mit den Eltern das riesige Land erkunden. Zu Ostern ging es zu viert nach Hawaii. Die Papieß sind nach wie vor fasziniert von der Größe der Vereinigten Staaten. „Man fliegt stundenlang von einem Ort zum anderen, ohne das Land zu verlassen“, schwärmt der Essener.
Freude an der Arbeit in den USA
Im Sommer 2023 erkundeten die Ruhrgebietler samt Cocker Buddy das Nachbarland Kanada. Und staunten über so viel Natur. Highlights waren die Niagarafälle und das Whale Watching bei den Orca-Walen. Die Metropolen Toronto, Montreal, Quebec lagen als faszinierende Metropolen auf der Rundreise im Auto. Das Leben und Arbeiten „jenseits des großen Teichs“ bereitet den Auswanderern auf Zeit sichtlich Freude. Und vermissen müssen sie kaum etwas. „In der Hauptstadt Washington sind die Menschen sehr deutschfreundlich und aufgeschlossen gegenüber Europäern. Viele große Unternehmen haben dort Niederlassungen.“
Auch interessant
Die Entwicklungen in der Heimat verfolgt die Familie durch deutsche Zeitungen: „Die Lage der deutschen Wirtschaft bereitet auch den Amerikanern Sorgen.“ Weltpolitik stünde jedoch in der deutschen Schule außen vor. Deutsche Kultur zählt umso mehr: Vom Kölschen Karnevalsumzug übers Münchener Oktoberfest mit Brezeln und Weißwurst bis zum „German Christmas Market“ – die 560 Schüler der GIS halten die Traditionen hoch.
Dies ist ein Artikel der digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen. Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.