Dortmund. Heizung auf Hochtouren im Winter, den ganzen Tag Klimaanlage im Hochsommer. Schaffen die neuen E-Busse im ÖPNV das alles?

So eine Haltestelle gibt es im ganzen Ruhrgebiet wahrscheinlich nur einmal. Leise kommt der grün-schwarz-rote Gelenkbus um die Ecke und stoppt an einem gerade fertig gestellten Bussteig vor dem DSW21-Betriebshof im Dortmunder Stadtteil Brüninghausen. Alle Türen öffnen sich und gut 20 Fahrgäste steigen aus, um drei Meter weiter gegenüber in einen Bus des gleichen Typs zu steigen. Keine Minute dauert es und die Fahrt geht weiter. „Umsteigehaltestelle“ nennt DSW21-Sprecher Frank Fligge den Haltepunkt. „So etwas gab es bisher nicht“, sagt Jürgen Böttcher, Leiter der Werkstätten bei DSW21.

So etwas war auch nicht nötig, solange die Busse des ÖPNV-Unternehmens mit Diesel im Tank unterwegs waren. Einmal vollgetankt, können sie den ganzen Tag ihre Strecken abfahren. Doch diese Zeiten neigen sich dem Ende entgegen. Seit dem 22. September sind in Dortmund die ersten „StromFahrer“ unterwegs. Erst im Probe-, seit einigen Wochen auf einer Streckenverknüpfung, die am Betriebshof vorbeiläuft, auch im Regelbetrieb.

200 Kilometer Mindestreichweite bei jeder Witterung

30 Elektro-Busse der Marke Solaris hat DSW21 gekauft. „Das Modell hat unabhängig von der Witterung eine Mindestreichweite von 200 Kilometern und schnellladefähige Akkus“, erklärt Böttcher. Weil die Tagesstrecke über 300 Kilometer beträgt, müssen die Passagiere zwischendurch schon mal den Bus wechseln. Der leere kommt an den Strom, der volle fährt die Tour weiter. „Läuft reibungslos“, sagt Fligge.

Im ganzen Ruhrgebiet sind immer mehr E-Busse im Einsatz.


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Im ganzen Ruhrgebiet sind immer mehr E-Busse im Einsatz. Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Das ganze Revier stellt um. Bei der Bogestra etwa ist der erste von insgesamt 20 reinen Elektrobussen des Herstellers BYD bereits Ende Juli 2020 in Gelsenkirchen eingetroffen. Und die Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (DVG) hat seit dem 1. April 2022 sieben Gelenk-Elektrobusse des Typs eCitaro G in Betrieb.

Techniker und Fahrer wurden speziell geschult

Parallel zum Kauf wurde in allen Städten eine Lade-Infrastruktur aufgebaut. Und längst haben sich Hunderte betriebseigene Techniker und Fahrer in speziellen Schulungen mit der neuen Antriebsart vertraut gemacht. „Das hat hervorragend funktioniert“, berichtet Heinz-Josef Pohlmann, bei DSW21 unter anderem verantwortlich für die Personaldisposition. War aber auch „ein Riesenkraftakt“, weil der reguläre Betrieb weitergehen musste.

Bisher, heißt es in Bochum, Duisburg und Dortmund, liefen die E-Busse stabil. Weder im Winter noch im heißen Sommer - mit auf Hochtouren laufender Klimaanlage - sei die Reichweite „dramatisch gesunken“. Ausfälle wie etwa in Oslo, wo jüngst viele E-Busse mit leerem Akku liegenblieben, gab es an Rhein und Ruhr nicht. Allerdings herrschten hier auch keine Temperaturen von minus 20 Grad. „Unsere Erfahrungen in Dortmund sind bisher gut“, bestätigt Böttcher.

Ab 2030 müssen 90 Prozent der neuen Busse emissionsfrei sein

Der Druck auf die Branche zur Umstellung ihrer Flotten aber bleibt. Vor gut einem Jahr waren nach Zahlen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) rund 12 Prozent der Linienbusse mit sauberen oder emissionsfreien Antrieben unterwegs. Da bleibt noch viel zu tun, denn die EU fordert in einer sogenannten Clean Vehicles Directive, dass von 2030 an 90 Prozent der neu in den Markt gebrachten Stadtbusse emissionsfrei sein müssen.

An speziellen Traversen werden die Busse geladen.



Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services
An speziellen Traversen werden die Busse geladen. Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Technisch ist das nach Einschätzung von Branchenkennern zu schaffen. Finanziell möglicherweise nicht. Die Umstellung ist nämlich nicht günstig. So liegt der Neupreis eines Elektro-Gelenkbusses, wie er bei DSW21 zum Einsatz kommt, bei rund 780.000 Euro. Einen Diesel-Gelenkbus gibt es bereits für 350.000 Euro. Dazu kommen die Kosten für den Ausbau der nötigen Infrastruktur.

Da kommt was zusammen. Die Bogestra hat nach eigener Aussage bisher 16 Millionen investiert, bei DSW21 sind es sogar 38 Millionen. Das sind Summen, die für viele der finanziell meist ohnehin nicht auf Rosen gebetteten Kommunen ohne Förderung kaum zu stemmen sind.

Genau die aber ist gerade zusammengestrichen worden. Die Mittel des Bundes für die „Förderung des Ankaufs von Bussen mit alternativen Antrieben“ wurden allein für das Jahr 2024 um fast 77 Millionen Euro gekürzt, warnt der VDV. Perspektivisch solle die Förderung sogar „vollumfänglich auslaufen“. „Die Umstellung der Bus-Flotten und vor allem der Infrastrukturen bei den kleinen und mittleren Unternehmen in den Kommunen kommt damit schlicht zum Erliegen“, fürchtet VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Experten fordern mehr finanzielle Unterstützung

Die Kommunen müssten beim Umstieg finanziell unterstützt werden, findet auch Maximilian Rohs von der Beratungsfirma Pricewaterhouse Coopers (PwC), die jährlich den E-Bus-Radar veröffentlicht. Sonst müssten die Kommunen ihr Nahverkehrsangebot ausdünnen, um Kosten einzusparen und so die Vorgaben einzuhalten.

Oder sie nutzen – was nicht verboten ist - den vorhandenen Fuhrpark, so lange es geht. „Irgendwann“, fürchtet der VDV, „fahren dann jede Menge altersschwache Dieselbusse durch die Städte in NRW.“

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