Köln. Solches Wetter kann sich keiner schöntrinken: Was die Kölner Polizei in der rheinischen Karnevalshochburg mit den Jecken alles erlebt.

So bunt kann nicht mal der Karneval sein, dass er dieses Grau übertüncht. Köln war vorbereitet, die Polizei auch, aber mit dem Straßenkarneval kam zu Weiberfastnacht ein Schietwetter wie im nüchternen Norden – und ließ mit den Jecken auch die Polizisten im Regen stehen.

Polizeisprecher Wolfgang Baldes hat es nicht erst um 11.11 Uhr geahnt: „Das wird nicht so lustig heute, das lässt die Terrorlage nicht zu.“ Sie hatten in Köln schon zu Weihnachten bang an den Karneval gedacht, als Terroristen den Dom bedrohten, als es Warnungen gab für Silvester. Da war der Höhepunkt der Session schließlich nur noch sechs Wochen entfernt. Also planten die Sicherheitskräfte, holten in Düsseldorf so viele Kollegen wie nie für den Straßenkarneval, orderten für Fastelovend in der Domstadt 1500 Polizisten, zusätzlich zu den 500, die ohnehin schon Dienst tun. Vorbereitet, meldeten die Behörden.

Polizei und Sicherheitsdienste stehen an den Zugängen zu den Festarealen. Allerdings war eine Einlasskontrolle am Donnerstag nirgends nötig.
Polizei und Sicherheitsdienste stehen an den Zugängen zu den Festarealen. Allerdings war eine Einlasskontrolle am Donnerstag nirgends nötig. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Barbarossaplatz, bist du auch schon nass?“

Aber Wetter kann man nicht organisieren. „Barbarossaplatz, bist du auch schon nass“, dichtet Baldes am Mittag in Anlehnung an den jecken Schlager, der sonst eigentlich fragt: „Bist du auch schon wach?“ Da triefen die rosa Perücken, läuft das Wasser von Kostümen aus chinesischem Plastik die Beine hinunter, steht bis zu den Knöcheln in den Schuhen. Die Narren haben Ponchos über die Verkleidung gestülpt und Mülltüten über die Narrenkappen, allein: Gegen den Starkregen kommt keiner an. Und solches Wetter kann sich auch keiner schöntrinken.

Obwohl gerade die Verkleideten es wieder versuchen auf der Zülpicher Straße, wo die jungen Leute feiern und im Vorjahr schon mittags aus dem Kostüm und dann aus der Reihe fallen. Nachdem am Elften im Elften auch die neuen Partymeilen aus allen Nähten brachen, an „Weltuntergangsstimmung“ erinnern sich erfahrene Kölner, haben sie diesmal noch mehr Platten auf die Uniwiesen gelegt, noch mehr Musikboxen aufgebaut und weitere Festplätze am Aachener Weiher erschlossen. Nur will da im Regen keiner hin, die Ausweichflächen werden zu Aufweichflächen. Allein der neue Polizeipräsident erlebt das „Kwartier Latäng“ als voll, aber der hat das jecke Viertel im Vorjahr nicht gesehen, als nach Corona erstmals wieder der Hoppeditz erwachte. „Alles leer“, melden seine Mitarbeiter, Altweiber sei „ins Wasser gefallen“.

Fünf Menschen in Gewahrsam, eine Handvoll Körperverletzungen

Was nun auch wieder übertrieben ist, ein paar Unentwegte lassen sich die Stimmung nicht vermiesen. Aber es ist nicht einmal Eins, als die Beamten durchgeben: Erste Abwanderungsbewegungen am Hauptbahnhof, „die Leute sind so nass, die wollen nach Hause“. Am frühen Nachmittag ergibt die Zwischenbilanz fünf Menschen in Gewahrsam, eine Handvoll Körperverletzungen, „nicht der Rede wert“, sagt Wolfgang Baldes. „Bei dem Wetter kommen sich die Leute gar nicht ins Gehege.“

Ins Gewahrsam? Am frühen Nachmittag zählt die Polizei dort „nur“ fünf Menschen.
Ins Gewahrsam? Am frühen Nachmittag zählt die Polizei dort „nur“ fünf Menschen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Auf einer Videoleinwand steht der Aufruf „Friedlich feiern, mit Toleranz und Respekt“. Das hatte auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker sich gewünscht, aber „bei gutem Wetter“. Nun aber tanzen am Ring kaum 20 vor einer Bühne, gegenüber haben sich vier Beamte und Beamtinnen einer Hundertschaft vor einem Kosmetikstudio untergestellt. Der Regen habe Vor- und Nachteile, wird Reker später sagen: „Wer feiern wollte, ist gekommen. Wer nur saufen wollte, ist zuhause geblieben.“

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Und die Schlimmeres im Schilde führten, auch. Es gab diesmal keine konkrete Bedrohungslage, aber eine allgemeine Gefahr schwebt auch über dieser Session. Zu den Terrorwarnungen zum Jahreswechsel, sagt Baldes, gebe es „noch viele offene Fragen“. Im Zentrum des Kölner Feier-Viertels schützt die Polizei auch deshalb wieder die Synagoge. „Als Symbol“, sagt Polizeisprecher Baldes, „die Leute wollen gerade nach dem 7. Oktober ihren Frieden haben.“ Denn das ist das Problem in Köln: Die weltpolitische Lage schwappe immer auch in den Karneval, das haben sie seit dem Krieg zwischen Israel und Palästina wieder gemerkt, bei Corona oder den Konflikten zwischen Türken und Kurden. „Es kommt immer darauf an, wer gerade demonstriert.“

Am Donnerstag aber blickt auch Einsatzleiter Martin Lotz auf eine „sehr, sehr entspannte Lage“. Der Andrang sei witterungsbedingt „nicht so wie befürchtet“, sagt der Direktionsleiter Gefahrenabwehr der Kölner Polizei und verbessert sich sofort: „Wie erwartet.“ Eine Raubstraftat zählt er am Mittag auf, eine Alkoholprobe, einen „Griff ans Gesäß“.

Die Zülpicher Straße steht unter Wasser, die nassen Jecken treten schon früh den Heimweg an.
Die Zülpicher Straße steht unter Wasser, die nassen Jecken treten schon früh den Heimweg an. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Gegen sexuelle Gewalt: die Polizei-Kampagne „It‘s a dress, not a yes“

Das allerdings wollten sie am liebsten ganz vermeiden. Mit einer neuen Kampagne kämpft die Polizei gegen sexuelle Übergriffe und Gewalt, „It‘s a dress, not a yes“ („Es ist ein Kostüm, kein Ja“) gehört seit in dieser Session zum Kölner Karneval wie das „Alaaf“. Bei Instagram machen Tanzgarden und Stimmungsbands mit, am Donnerstag schießt die Zahl der Follower binnen weniger Stunden von 440.000 auf mehr als 700.000. Eine Tänzerin erzählt am Rande einer Feier von „Ausziehen!“-Rufen: Ihre Röcke seien „ziemlich kurz, aber das ist trotzdem keine Einladung, drunter zu fotografieren“. Wolfgang Baldes weiß von Tanzgruppen, die bei Herrensitzungen nur mit Bodyguards aufträten.

Der massive Polizeiauftritt macht manchem Narren hingegen Sorge. Kaum stehen die Beamten irgendwo in einer Tür, kommt ein Veranstalter herbeigeeilt: „Ich hoffe, Sie sind nur zum Spaß hier. Ist etwas Ernstes?“ Im Tanzbrunnen wird sogleich der Chef vom Sicherheitsdienst geschickt, ob er seinen Job nicht richtig gemacht habe? Und bei der Weiberfastnachtsfeier des Erzbistums trifft eine Polizeiuniform den Nerv der Frauen. „Ist die Kirche betroffen? Hat wieder einer was gemacht?“, wird Sprecherin Jessica Arnold gefragt.

Seit‘ an Seit‘ und alle nass: Polizisten und Jecken in Köln.
Seit‘ an Seit‘ und alle nass: Polizisten und Jecken in Köln. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ratte aus „Ratatouille“ wird 18, hat aber ihren Freund verloren

Dabei ist es sonst „der Spruch des Tages“, wie die Beamten schicksalsergeben sagen: „Geiles Kostüm. Seid ihr echt?“ Jecken, die selbst als Polizisten gehen, fragen das nicht. Aber immer wieder solche im gestreiften Sträflingskostüm. Und auf der Zülpicher Lena, die ihren 18. Geburtstag feiert und von Wolfgang Baldes eine Umarmung bekommt. Sie geht als Ratte aus „Ratatouille“, aber ihren Freund, den Koch, hat sie um kurz nach Zwölf längst verloren. Eine andere junge Frau umarmt die Polizeibeamten unter Tränen: Sie haben das Handy ihrer Freundin gefunden.

Die Polizeibeamten sind komplett durchnässt, sie seien froh, unkt einer, dass sie an diesem Tag nicht schießen müssten: „Die klammen Finger könnten sich nicht mehr krümmen.“ Wolfgang Baldes sagt, er könnte jetzt ein Schlauchboot anfordern, um zurück zum Einsatzwagen zu kommen. Für die nächsten Tage ist nicht viel besseres Wetter angesagt, es sieht so aus, als bräuchte der „Zoch“ am Rosenmontag: eine Wasserstraße.

Kölner Polizei-Kampagne: „It‘s a dress, not a yes“

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