Essen. Erst waren es Tage, dann Wochen. Warum Lkw jetzt sogar eine jahrelange Sperrung der A42 zwischen Essen und Bottrop droht.
Experten sprechen von einer Katastrophe. Die seit einigen Tagen gesperrte A42 zwischen der Anschlussstelle Bottrop-Süd und dem Autobahnkreuz Essen-Nord könnte für Lkw auf Jahre dicht bleiben. Verkehrsexperten in den beiden direkt betroffenen Städten sprechen von einer „Katastrophe“. Doch auch in anderen Teilen des Ruhrgebietes droht ein jahrelanges Verkehrschaos. – Das müssen Sie wissen.
Warum ist die Autobahn überhaupt gesperrt?
Weil die A42 dort über die Rhein-Herne-Kanal-Brücke führt. Und die ist beschädigt. 1970 für den Verkehr freigegeben, ist sie den heutigen Belastungen schon längst nicht mehr gewachsen. Rollten doch zuletzt täglich 85.000 Fahrzeuge über die Brücke – 14.000 von ihnen waren Lastwagen. Viel, viel mehr, als vor 50 Jahren prognostiziert.
Was ist denn genau kaputt an der Brücke?
Es ist eine Stabbogenbrücke mit 56 Hängern. In einigen dieser Hänger sind Risse aufgetaucht. „Beischleifen und schweißen“, war der erste Plan. Doch dann stellte sich heraus, dass diese Risse nicht nur „oberflächennah“, sondern „tief ins Material eingedrungen“ sind. Wie es im kaum begehbaren Brückenbogen aussieht, ist noch gänzlich unbekannt. Mithilfe von Drohnen soll sich das in den nächsten Tagen ändern. „Wir müssen weiter kontrollieren und sanieren“, sagt Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Niederlassung Westfalen der Autobahn GmbH des Bundes.
Wie lange soll die Strecke gesperrt bleiben?
Das ist unklar. Sauerwein-Braksiek hofft, dass ab „Frühjahr 2024“ wieder Pkw darüber rollen können. Bis dahin soll eine Wiege- und Schrankenanlage installiert sein, damit kein Fahrzeug über 3,5 Tonnen passieren kann. Zugleich soll ein elektronisches Monitoring-System installiert werden, das selbst kleinste Veränderungen an der Brücke registriert, wenn der Pkw-Verkehr wieder fließt.
Und was ist mit LKW und Bussen?
Alles, was schwerer ist als 3,5 Tonnen, wird die A42 an dieser Stelle wohl erst wieder passieren können, wenn eine neue Brücke gebaut ist. Das dauert vier bis fünf Jahre. Mindestens. Zwar gibt es bereits ein Planfeststellungsverfahren für den Neubau, allerdings noch keinen -beschluss. Und auch die Vorarbeiten im dicht besiedelten Revier mit unzähligen Versorgungsleitungen im Boden brauchen ihre Zeit.
Wie wird der Verkehr bis dahin umgeleitet?
Wenn möglich „großräumig“, heißt es bei Autobahn NRW. „Wir haben das Glück, dass wir mit der A2 und der A40 parallele Autobahnen haben“, sagt Sauerwein-Braksiek; sie weiß aber, dass so eine Umleitung auch Risiken birgt. Auch die Brücken auf diesen Strecken seien in einem schlechten Zustand und deshalb eigentlich nicht geeignet, noch mehr Verkehr aufzunehmen. Kleinräumig soll vor allem über die B224 ausgewichen werden. Die ist allerdings bereits jetzt oft „völlig dicht“. Auch die Nord-Süd-Achsen A3 und A43 dürften durch die Sperrung nicht verkehrsarmer werden.
Die komplette Berichterstattung zur A42-Sperrung mit Hintergründen, Interview und Fotos finden Sie hier: waz.de/thema/a42-sperrung/
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Können die betroffenen Städte etwas tun, um den Verkehr auf der Umleitungsstrecke flüssiger zu machen?
Wenig. In Essen beraten Experten bereits, ob sich Ampelschaltungen umstellen lassen oder Straßenbaumaßnahmen auf der Strecke verschoben werden können. Über Jahre aber, warnt Umweltdezernentin Simone Raskob, lasse sich das nicht umsetzen.
Kann man aus den Erfahrungen lernen, die Lüdenscheid nach der Sperrung der A45 gemacht hat?
Möglicherweise. Bottrop will jedenfalls Kontakt zur dortigen Verwaltung aufnehmen. Auch, um herauszufinden, ob sich Nacht- oder Durchfahrverbote umsetzen lassen und kontrollierbar sind.
Wird sich die Sperrung auch in anderen Teilen des Ruhrgebietes bemerkbar machen?
Aber ja. Schon in den vergangenen Tagen hat der Verkehr sowohl auf der A2, besonders aber auf der A40 spürbar zugenommen. Aus dem östlichen Ruhrgebiet mal eben zum Shoppen ins direkt an der A42 gelegene Oberhausener Centro zu fahren, dürfte ebenso schwierig werden, wie ein Besuch auf Schalke aus Richtung Niederrhein. „Das ist für das Ruhrgebiet insgesamt eine katastrophale Situation“, räumt Sauerwein-Braksiek ein.
Gibt es noch Hoffnung, dass am Ende alles doch nicht so schlimm wird?
Kaum, aber Sauerwein-Braksiek will „nichts ausschließen“. „Wir untersuchen“, sagt sie, „die Brücke jetzt erst einmal sorgfältig weiter.“