Hagen. Gottfried Beiderbeck ist im Verkehr mit Rollstuhl unterwegs. Er erlebt hupende Autofahrer, klingelnde Radfahrer - und eine hilfsbereite Gruppe.

Auf den Straßen wird es immer wilder, finden viele. Sie beklagen eine gewachsene Rücksichtslosigkeit. Wir haben verschiedene Verkehrsteilnehmer und Teilnehmerinnen befragt. Hier ist das Protokoll von Gottfried Beiderbeck (63) aus Hagen, der aufgrund einer Krankheit viel im Rollstuhl unterwegs ist. Er ist Wirtschaftsberater.

„Wir wohnen auf einem Berg. Dort muss ich in die Innenstadt eine Straße hinunter ohne Bürgersteig. In einem Rollstuhl mit sechs Stundenkilometern. Da ist man ein Hindernis. Die Autos kommen mit Lichthupe, sie hupen, gruselig. Aber ich würde mich als Autofahrer auch erschrecken.

„Ich fahre gar nicht gern an Stellen, die ich nicht kenne“

Immer wieder erleben Menschen im Rollstuhl, dass ihnen der Weg durch Hindernisse und parkende Autos verstellt ist.
Immer wieder erleben Menschen im Rollstuhl, dass ihnen der Weg durch Hindernisse und parkende Autos verstellt ist. © Westfalenpost Schwelm | Bernd Richter

In der Innenstadt fährt man wirklich gut, aber sobald Sie aus ihr herauskommen, haben sie keine Absenkungen an Bordsteinen mehr und oft keinen Bürgersteig. Da kriegen Sie Angst. Da fährt man lange, bis eine Absenkung kommt. Ich fahre gar nicht gern an Stellen, die ich nicht kenne. Wenn meine Frau Michaela dabei ist, traue ich mir natürlich mehr zu.

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Die Fahrradfahrer am Wochenende am Hengsteysee. Ich fahre schon seitlich rechts, aber das ist ein einziges Klingeln, ein einziges Schimpfen. Nur E-Bikes mit hohem Tempo unterwegs. Mehrmals habe ich mich vor heranrasenden Radfahrern retten müssen. Wenn man sie anspricht, sagen sie: ,Soll ich etwa stehenbleiben?’ Ich sage dann: ,Nein, fahren Sie drüber.’ Ich bin nach Hause gefahren. Ich habe mich nicht mehr getraut. Wochentags ist ein ganz anderes Publikum da. Die fahren langsam. Sie müssen wochentags gehen.

„Mich ärgert, wenn der Egoismus stärker ist als die Rücksichtnahme“

Was ich in der Stadt festgestellt habe, ich war überrascht, wie freundlich und hilfsbereit Fußgänger sind. Sie gehen aus dem Weg, treten zur Seite, halten eine Tür auf. Ganz kurze Strecken kann ich mit dem Stock gehen. Ich bin aber auch schon ein paarmal in Hagen gestürzt, ich komme alleine nicht hoch, da komme ich mir sowas von entwürdigt vor. Da kommt dann keiner und sagt: ,Kann ich Ihnen helfen?’ Die Leute gehen vorbei, es hilft einem keiner. Wer weiß, was sie denken, warum ich da liege.

DIE Fahrradfahrer ist der falsche Begriff. DIE Autofahrer kann man auch nicht sagen. Ich wehre mich dagegen, etwas pauschal zu verurteilen. Es gibt immer solche und solche.

Mich ärgert, wenn der Egoismus stärker ist als die Rücksichtnahme. Aber Menschen etwas zu verdeutlichen, wovon sie nicht betroffen sind, das ist sehr, sehr schwierig.“