Witten. Thomas Franzuschak fährt seit 30 Jahren Busse. Er beklagt, viele Verkehrsteilnehmer würden immer rücksichtsloser. Eine Gruppe nimmt er aber aus.
Auf den Straßen wird es immer wilder, finden viele. Sie beklagen eine wachsende Rücksichtslosigkeit. Wir haben mit verschiedenen Verkehrsteilnehmern und Teilnehmerinnen gesprochen. Hier das Protokoll von Thomas Franzuschak (54) aus Witten, der seit über 30 Jahren Bus fährt bei der Bogestra.
„Im Bus sind heute mehr Leute, die ihre privaten Probleme bei anderen Leuten abladen. Wir sind oft der- oder diejenige, die das abbekommen. Wenn man mal zu spät kommt, kann ja passieren, die Verkehrslage ist ja in 30 Jahren schlimmer geworden, reicht bei manchen ein kleiner Funke. Was aber Ausnahmen sind.
„Die meisten Fahrgäste sind ja auch nach zehn Minuten wieder weg“
Beschimpfung? Ich hab sowas nie erlebt. Ich bin aber auch keiner, der direkt aufsteht oder aus dem Sattel geht. Manchmal macht man am besten gute Miene zum bösen Spiel. Gar nicht drauf eingehen. Dass ich die Polizei zu Hilfe rufen muss, hatte ich noch nicht. Die meisten Fahrgäste sind ja auch nach zehn Minuten wieder weg. Manche Kollegen nehmen sowas mit nach Haus und grübeln. Bei mir nicht: Wenn Feierabend ist, ist Ruhe.
Wir haben kontrollierten Vordereinstieg, aber das ist nicht immer gegeben. Manchmal macht man alle Türen auf, sonst kriegt man die ganzen Leute gar nicht weg. Morgens mit den Schülern ist es im Bus viel lauter, aber das sind nun mal Kinder. Ich habe mich früher auch nicht anders verhalten.
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Man hat ein Gefühl dafür, ob jemand ein Ticket hat oder nicht. Den holt man noch mal nach vorne. Genau deshalb ist neulich einer, der einfach vorbeigehen wollte, auf einen Kollegen losgegangen, sogar um die Schutzscheibe herum. Dann ist der weg.
„Manchmal kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen“
Ich habe noch nie groß Theater gehabt. Es kommt ja auch darauf an, wie man mit den Leuten spricht. Wenn ich nach hinten komme, überlegt man sich es schon mal.“ Franzuschak ist 1,89 Meter groß und kräftig.
„Im Verkehr ist natürlich viel mehr los auf den Straßen. Ein Großteil wird immer rücksichtsloser. Manchmal kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Bei Rot über die Ampel fahren, vor der Straßenbahn wenden . . . Wenn Pkw-Fahrer auf ihr vermeintliches Recht pochen, wenn sie in jeder Lebenslage so reagieren, ist es schwer, durchs Leben zu kommen.
„Heute muss ich schon mal den Bus anrollen lassen, sonst komme ich nicht raus“
Mein Fahrlehrer hat immer gesagt: Wenn der Dritte nicht anhält, gibst du Gas. Früher konnte man davon ausgehen, wenn der Bus an der Haltestelle blinkt, hat nach zwei, drei Sekunden einer angehalten. Heute muss ich schon mal den Bus anrollen lassen, sonst komme ich nicht raus.
Was in Witten auch überhand genommen hat: Ich halte so, dass der Bus zwischen Haltestelle und Verkehrsinsel steht. Dann ziehen die links an der Insel dran vorbei. Die fahren auch nicht nur langsam. Oder machen irgendwelche Zeichen: Scheibenwischer, Mittelfinger. Ich weiß nicht, ob alle Leute dermaßen gestresst sind.
„Die haben Kopfhörer auf und kriegen gar nichts mit vom Verkehr“
Leute laufen gegen den Bus oder fahren mit dem Fahrrad auf. Auf einen stehenden Bus. Wie soll das gehen? Die haben Kopfhörer auf oder telefonieren und kriegen gar nichts mit vom Verkehr, sie sind extrem abgelenkt.
Busfahrer und Lkw-Fahrer nehmen aufeinander Rücksicht, die Lkw-Fahrer sitzen ja fast im gleichen Boot wie wir. Da hält man eben zusammen oder hilft sich, arrangiert sich etwa an Stellen, wo immer nur einer durch kann. Man guckt vorausschauend, das man nicht plötzlich voreinander steht und Rückwärtsfahrübungen macht.
Ich habe den Führerschein bei der Bundeswehr gemacht. Später bin ich hinter einem Bus hergefahren, da wurde hinten drauf Werbung gemacht für den Beruf. Das machen wir heute auch wieder. Ich bereue es bis heute nicht, auch wenn nicht alles besser geworden ist. Jederzeit wieder.“