Essen. An NRW-Schulen kursieren Gewaltvideos aus dem Nahost-Krieg. Eltern fordern daher ein Handyverbot. Doch bietet das wirklich Schutz?

  • Viele Eltern haben Sorge, dass ihre Kinder auf dem Schulhof mit Gewaltvideos aus dem Nahost-Krieg konfrontiert werden.
  • Daher wird der Ruf nach einem generellen Handyverbot an Schulen laut. "Wir sind der Meinung, dass endlich ein Handyverbot an die Schulen kommen muss", fordert etwa Andrea Heck, Landesvorsitzende des Elternvereins NRW.
  • Aber ist ein Handyverbot wirklich sinnvoll?

In letzter Zeit diskutiert Nicole Wahl häufig mit ihrer Tochter. Die Freundinnen der 13-Jährigen sind bei Instagram, schicken sich täglich Videos hin und her. Ihre Tochter wünscht sich das auch, aber Nicole Wahl hat es ihr verboten. „Ich möchte nicht, dass meine Kinder dort Videos sehen, die nicht für ihr Alter gedacht sind“, sagt Wahl, die eigentlich anders heißt. Gerade jetzt, in Zeiten des Israel-Krieges, macht sich die Mutter aus Herne große Sorgen. „Ich habe gelesen, dass bei Social Media Propaganda- und Gewaltvideos kursieren, etwa Enthauptungen.

Der Gedanke, dass sich die Kinder diese Videos auf dem Schulhof gegenseitig zeigen könnten, ist für die zweifachen Mutter kaum zu ertragen. Deshalb ist sie froh, dass die Schule ihrer Tochter auf ein striktes Handyverbot setzt, auch in den Pausen.

Schulen in NRW entscheiden individuell über Handy-Verbot

„Mich als Mutter beruhigt das sehr“, sagt sie. Auch, wenn die Lehrkräfte ihre Augen nicht immer und überall auf dem Schulhof haben können, könnten die Schüler zumindest nicht mit den Gewaltvideos herumprahlen.

So wie Nicole Wahl geht es derzeit vielen Eltern in NRW. Bei ihnen wird der Ruf nach einem Handyverbot oder zumindest nach einer einheitlichen landesweiten Regelung laut. Denn noch entscheidet in NRW jede Schule selbst, wie sie die Handynutzung handhabt.

>>> Robert de Lubomirz-Treter von der Landesmedienanstalt in NRW erklärt, ob ein generelles Handy-Verbot an Schulen sinnvoll ist, und wie Eltern ihre Kinder vor Gewaltvideos schützen können. Das Interview lesen Sie hier: „Israel-Krieg: So schützen Eltern Kinder vor Gewaltvideos“

Für ein generelles Smartphone-Verbot setzt sich auch Andrea Heck, Landesvorsitzende des Elternvereins NRW, ein: „Wir sind der Meinung, dass endlich ein Handyverbot an die Schulen kommen muss. Das Ministerium muss eine strikte Regelung schaffen, die Schulen sollten das nicht allein schultern müssen.“ Sie warnt nicht nur vor der Verbreitung von Gewaltvideos, sondern auch von pornografischen Inhalten. „Diese Videos sollten keinen Raum in Schulen haben“, fordert Heck.

Handy-Nutzung an NRW-Schulen führt zu Lernschwierigkeiten

Sie sieht außerdem die Gefahr, dass die Handy-Nutzung bei vielen Kindern zu Konzentrationsproblemen und Lernschwierigkeiten führt. Umso wichtiger sei es, dass die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler im Unterricht gezielt gefördert wird. „Digitalisierung ist wichtig und richtig, aber nicht unkontrolliert. Die Kinder müssen lernen, wie man damit umgeht. Aber es gibt vom Ministerium kaum Schulungen“, kritisiert Heck.

Vielen Schülerinnen und Schülern sei nicht mal bewusst, dass sie mitunter Straftaten begehen, wenn sie zum Beispiel Gewaltvideos oder sexuelle Inhalte verbreiten, sagt Johanna Schulz. Sie ist Vorstandsmitglieder der Landeselternschaft der Realschulen NRW. „Schule sollte ein Ort sein, wo die Kids sich wohl und sicher fühlen. Leider werden Handys aber für Ausgrenzung benutzt“, so Schulz.

„Handy-Verbot fördert Sozial-Kompetenz der Schüler“

Außerdem würden viele Schülerinnen und Schülern in den Pausen gar nicht mehr in echten Kontakt miteinander treten, sondern lieber vor dem Smartphone-Bildschirm hängen. „Vielen Schülerinnen und Schülern fällt der soziale Umgang immer schwerer. Wenn die Handynutzung in der Schule verboten ist, sind die Kids wieder mehr gezwungen in Kontakt miteinander zu treten. Das fördert ihre Sozial-Kompetenz.“

An einigen Realschulen in NRW wurden bereits Verbote eingeführt, um Schülerinnen und Schüler vor medialer Überreizung sowie Cybermobbing und Gewalt zu schützen. Da jedoch jede Schule andere Erfahrung mache, sollte jede Schulleitung selbst entscheiden können, ob und in welchem Umfang Handys erlaubt bleiben, findet Schulz.

Gehören Smartphones in den Klassenraum oder auf den Schulhof in NRW? Eine Herner Schule hat die Handy-Nutzung bereits verboten.
Gehören Smartphones in den Klassenraum oder auf den Schulhof in NRW? Eine Herner Schule hat die Handy-Nutzung bereits verboten. © Adobestock | Adobestock

Wie viele Schulen in NRW bereits ein Handynutzungsverbot verhängt haben, ist laut Schulleitungsvereinigung nicht erfasst. Rechtlich gesehen dürfen Schülerinnen und Schüler ihre Smartphones prinzipiell mit in die Schule nehmen, erklärt Harald Willert von der Schulleitungsvereinigung.

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Lehrkräfte dürfen den Kindern und Jugendlichen auch nicht ohne Grund ihre Handys wegnehmen. Es sei denn, sie verstoßen mit der Nutzung zum Beispiel gegen die Hausordnung der Schule. „Aber auch dann dürfen die Handys nur kurzfristig einbehalten werden. Wenn Eltern verlangen, dass das Handy nach dem Unterricht wieder rausgegeben wird, dann müssen Lehrkräfte es aushändigen“, so Willert. Seiner Erfahrung nach sei es einigen Eltern sehr wichtig, dass ihre Kinder das Smartphone immer bei sich haben, um erreichbar zu sein.

„Krieg nimmt junge Menschen sehr mit“

Dass das Handy aus dem Alltag der Schülerinnen und Schüler und ihrer Familien nicht mehr wegzudenken ist, betont auch Elmar Schmitz von der Landeselternschaft der integrierten Schulen. „Neue Technologien drehen wir nicht mehr zurück“, sagt der Vorsitzende. Landesweite Richtlinien zur Digitalisierung, die auch den Umgang mit privaten Handys auf dem Schulgelände festlegen, seien daher erforderlich.

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Für Mutter Nicole Wahl ist die Schule ihrer Tochter mit dem Handyverbot einen wichtigen Schritt gegangen. Sie begrüßt es, wenn andere Schulen nachziehen. „An meinen Kindern sehe ich, dass das Thema Krieg die jungen Menschen sehr mitnimmt.“ Hier gelte es, Schülerinnen und Schüler zu schützen – und Handys auf dem Schulhof zu verbieten.

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