Ruhrgebiet. Marie Schmitz aus NRW wusste früh, dass sie keine Kinder will. Wieso sie sterilisiert ist und welche Hürden sie dafür auf sich nehmen musste.

„Ich habe mich mit 29 sterilisieren lassen“, sagt Marie Schmitz und denkt einen Tag im Januar zurück. Anfang des Jahres wurde sie in den Operationssaal der Klinik geschoben. In Vollnarkose wurden ihre Eileiter verödet. Damit hat die heute 30-Jährige aus Nordrhein-Westfalen ihre Entscheidung endgültig gemacht. Dass Schmitz, die eigentlich anders heißt, keine eigenen Kinder haben möchte, hat sie mit 27 Jahren gemerkt.

Es kommen so wenige Kinder zur Welt wie schon lange nicht mehr in NRW. Zuletzt wurden 2015 so wenige Kinder geboren wie im vergangenen Jahr. Haben sich die Entbindungszahlen nach einem sprunghaften Anstieg 2016 relativ konstant gehalten, sind sie nach Angaben von IT NRW im vergangenen Jahr wieder eingeknickt. Lesen Sie deshalb auch:

Für Schmitz ist klar: „Jetzt muss ich einfach keine Angst mehr haben schwanger zu werden.“ Alle anderen Verhütungsmethoden kamen für sie nicht infrage. Hormonelle Verhütung ist für die 30-Jährige keine Alternative, Kondome waren ihr zu unsicher, eine Spirale konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht eingesetzt werden. Am Ende blieb die einzige Lösung die Sterilisation. „Da ich wusste, dass ich nie Kinder bekommen möchte, war das der logische Weg.“

Junge Frau aus NRW: „Könnte Lebensstandard nicht halten“

Entscheidend für die Kinderfrage war für Schmitz der finanzielle Aspekt. Sie hat gerechnet, wie viel Geld ihr und ihrem damaligen Partner durch die Elternzeit trotz des Kindergeldes fehlen würde und wie teuer ein Kind ist. „Da habe ich mich gefragt: Wie sollen wir das schaffen? Wir hätten unseren Lebensstandard komplett ändern müssen.“ Es kamen noch andere Gründe hinzu: frei sein, Selbstbestimmung, nicht die Verantwortung für ein anderes Lebewesen tragen müssen.

Neben all diesen Gründen gibt es noch zwei wichtige Argumente für ihre Entscheidung. All die Kriege und Naturkatastrophen sprechen für Schmitz gegen eigenen Nachwuchs. „Wenn ich mir das jetzt aussuchen könnte, würde ich nicht geboren werden wollen. Wieso soll ich das dann einem anderen Lebewesen zumuten?“

ZDF-Studie: Rund ein Drittel der 25- bis 29-Jährigen zweifeln wegen Klimakrise am Kinderwunsch

Das sind für viele Menschen Argumente für oder gegen Kinder. Wegen der derzeitigen Kriege und Konflikte sind sich knapp 30 Prozent der Befragten zwischen 25 und 34 Jahren unsicher, ob sie selbst Nachwuchs möchten. Für ein Fünftel der Befragten sind das klare Gründe gegen eigene Kinder. Die Klimakrise sorgt bei rund einem Viertel für Unsicherheit. Bei den 25- bis 29-Jährigen sind es sogar rund ein Drittel der Befragten. Das zeigt eine ZDF-Umfrage aus dem vergangenen Jahr.

Generell gehen die Entbindungszahlen in NRW zurück. Nachdem die Geburtenzahl 2016 sprunghaft angestiegen ist und sich relativ konstant mit einem Boom vor zwei Jahren hielt, ging die Zahl im vergangenen Jahr erstmals wieder zurück. 2022 gab es rund sechs Prozent weniger Geburten als 2021 in Krankenhäusern in NRW. Zuletzt gab es 2015 einen so geringen Stand an Geburten, teilt der Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT NRW) mit. 2022 haben rund 160.500 Frauen in Krankenhäusern in NRW Kinder zur Welt gebracht.

30-Jährige aus NRW ist sterilisiert: Nur wenige Freunde wissen von der OP

Mit dieser Entscheidung ist Schmitz nicht allein. Knapp über 27 Prozent der befragten Frauen wollen laut Umfrage „auf keinen Fall“ oder „eher nicht“ Nachwuchs. Den endgültigen Weg mit der Sterilisation gehen nur wenige. Nur zwei Prozent der Frauen sind sterilisiert, laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2018.

Gezweifelt hat die 30-Jährige nie an ihrem Entschluss. In ihrem Umfeld wissen aber nur wenige von der Endgültigkeit. Auch ihre Eltern wissen nichts von der OP. Nachvollziehen konnten nicht alle den Wunsch der 30-Jährigen: „Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Cousine, in dem ich das Thema angeschnitten habe. Sie sagte dann nur: Wenn der Richtige kommt, dann wirst du bestimmt auch Kinder haben wollen.“

Entscheidung gegen eigene Kinder war bei junger Fraus aus NRW nicht immer so klar

Aber: „Ich hatte den Richtigen und auch mit ihm wollte ich keine Kinder.“ Doch das war nicht immer so. Mit 22 Jahren habe Schmitz geheiratet, sei mit ihrem Mann in ein Reihenhaus gezogen. Da spürte sie einen Wunsch nach Kindern. Gezweifelt hat sie aber wegen ihres Mannes. „Er reagierte gar nicht darauf, als ich das Thema Kinder angesprochen habe. Es schien, als ob er nicht richtig wusste, ob er welche möchte oder nicht.“

Als die Ehe kurz vor dem Ende stand, sprach das Paar ein letztes Mal darüber, ob es sich Kinder wünscht. Schmitz hatte zu diesem Zeitpunkt schon die Pille abgesetzt. Nachdem Schmitz Zweifel an ihrem Kinderwunsch äußerte, merkte sie, dass ihr Partner eine andere Meinung dazu hat: „Mein Mann sagte dann, dass Kinder doch der Sinn des Lebens sind. Da habe ich wirklich gemerkt: Ich will keine Kinder. Nicht mit ihm und auch mit niemand anderem.“ Inzwischen lebt sie getrennt.

Mit ihrer Entscheidung gehe es der heute 30-Jährigen „sehr gut“. Schwieriger könne es jedoch bei der Partnersuche werden, merkte Schmitz bei Treffen mit Männern. „Ich habe Sorge, dass die Sterilisation abschreckend wirkt. Alle, die ich gedatet habe, wollten Kinder haben.“ Oft sei es der gesellschaftliche Druck, der zu dieser Meinung führe, meint Schmitz. Für die junge Frau ist aber klar: „Die Sterilisation war auf jeden Fall die richtige Entscheidung.“

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